Die Quelle
hatte sie am Freitagnachmittag im Berliner Büro des Bundeskriminalamtes ein Nickerchen gemacht. Die anschließende Observation hatte sich bis Sonntagabend hingezogen. Ergebnislos.
Sie drückte die Ellbogen in die Matratze und richtete sich halb auf. Es war stockdunkel.
Sie wusste ganz genau, wo der Wecker mit der Digitalanzeige stand. Aber da leuchtete keine Uhrzeit.
»Aufhören!«, rief sie erneut.
Endlich hörte das Wummern auf.
Sie schlug mit der Hand auf den Schirm der Nachttischlampe. Nichts. Noch einmal. Aber das Licht ging nicht an.
Wieder wummerte es an der Eingangstür. Eine Stimme rief ihren Namen.
»Es reicht! Wer ist da?«, schrie Ela mit angestrengter Stimme zurück.
»Ich bin es, Gregor!«
Gregor? War doch noch etwas passiert? War der dicke Fisch, ein die Bundesregierung beratender Wissenschaftler, doch noch gekommen? War die Falle zugeschnappt?
Oh, wenn das so war ...
Ela wälzte sich aus dem Bett und tastete nach dem Lichtschalter an der Wand. Wieder nichts. Sie stolperte auf nackten Füßen weiter und fluchte, als sie gegen den Hartschalenkoffer stieß. Mit nach vorn gestreckten Händen tapste sie zur Schlafzimmertür, zog sie auf, tastete nach dem Lichtschalter im Flur.
Wieder kein Licht.
»Ela. Ich bin es. Gregor! Ich soll dich abholen und zum Chef bringen!«
Na klar. Das war Gregor. Dieser leicht sächselnde Ton, den er trotz aller Bemühungen nicht unterdrücken konnte. Trotzdem.
»Schieb deinen Ausweis unter der Tür durch!«
»Was soll der Scheiß?«
»Mach es einfach!«
»Hast du Licht, um den Ausweis lesen zu können?«, fragte die Stimme vor der Tür verwundert.
Ela tastete mit der linken Hand die Eingangstür ab, bis sie den Schlüsselbund spürte. Sie drehte den Schlüssel und zog die Tür auf. Gleichzeitig hob sie ihr linkes Bein, um im Notfall die Tür zutreten zu können.
Ein Lichtkegel strahlte kurz in den Flur.
Eine männliche Gestalt schob sich vorsichtig in den Türrahmen. Das Licht der Taschenlampe irrte kurz herum und beleuchtete dann von unten ein müdes Gesicht.
»Gregor! Ist das dein Trick, in die Wohnungen unverheirateter Frauen einzudringen?«, witzelte Ela, um ihre Neugier etwas zu überspielen. Doch gleich danach platzte es aus ihr heraus. »Ist unser fetter Karpfen doch noch aufgetaucht?«
»Soweit ich weiß, nicht. Der Chef will dich unbedingt sehen. Jetzt! Sofort!«
»Das hört sich an, als hätte ich etwas verbockt«, sagte Ela halb belustigt. »Komm rein und leuchte. Bei mir scheint die Sicherung rausgeflogen zu sein. Ich habe kein Licht.«
»Ganz Deutschland ist dunkel.«
Die Kommissarin stutzte.
»Warum hast du nicht angerufen?«
»Kein Strom - seit Stunden. Nix Handy. Die Netze sind zusammengebrochen.«
»Unglaublich.« Die Kommissarin schüttelte den Kopf. »Komm rein. Ich brauche das Licht deiner Taschenlampe. Los!« Ela suchte im Schein der Taschenlampe ihre Kleidungsstücke zusammen. »Und jetzt umdrehen. Deine gierigen Blicke mag ich nicht.«
Ela wartete, bis Gregor grinsend den Kopf abwendete, dann zog sie ihr langes, weites Nachtshirt aus, schlüpfte in Slip und BH, zog sich ein Sweatshirt über und stieg in ihre Jeans.
»Keine Dusche?«, fragte Gregor betont maulig.
»Ich denke, es ist eilig? Außerdem stehst du doch nicht auf Frauen mit Kleidergröße vierzig und kleinem Busen.«
»Eine stramme Figur ist immer reizvoll - wann habe ich das gesagt?«
»Klein, zierlich und blond - das ist dein Typ, hast du mir verraten. Ich habe kurze rote Haare. Lass es also.« Sie deutete in Richtung Bad.
»Doch noch duschen?«, kicherte Gregor und lenkte den Lichtstrahl der Taschenlampe so, dass Ela ihn als Wegweiser ins Bad benutzen konnte.
Vor dem Spiegel kämmte sie sich rasch die kurzen Haare durch.
»Oh!«, sagte sie überrascht, als sie sich nach dem Zähneputzen noch das Gesicht waschen wollte. Der anfänglich kräftige Wasserstrahl verkam zu einem Rinnsal, dann tröpfelte es nur noch aus dem Wasserhahn, und aus der Leitung hallten Geräusche, die sie an einen röchelnden Asthmatiker erinnerten. »Ich habe auch kein Wasser mehr. Nun denn, lass uns fahren. Was will der Chef denn von mir?«
In der frühmorgendlichen Zeit zwischen drei und fünf Uhr kam auch Berlin weitgehend zur Ruhe, senkte sich üblicherweise eine kurze, schläfrige Trägheit über die Stadt. In dieser Zeit hielten nur die Lichtbänder der Straßenlaternen und stumm blinkende Ampeln Wache, wiesen Nachtschwärmern den Weg von den Discos und Kneipen nach
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