Die Quelle
Greifswalder Innenstadt entfernt.«
»Dann fahren wir jetzt da hin!«
****
Benn nickte den beiden Polizisten zu, als er auf der Mole stand. Der eine Beamte war um die fünfzig, rundlich und untersetzt, während der andere gut zehn Jahre jünger und schlank war.
»Sie müssen zunächst ...«
»Wir haben unsere Anweisungen.« Der rundliche Beamte stoppte Kemper mit einer energischen Handbewegung und sah in die Runde. »Wir bringen Sie jetzt alle ins Polizeipräsidium. Dort sehen wir weiter!«
Ein zweites Scheinwerferpaar leuchtete auf. Benn sah von der Landseite der Mole her einen Polizeiwagen heranrollen, der bisher in einer der Parkbuchten gestanden hatte, hinter denen die Mole in einen Grüngürtel mit Gras und Büschen überging. Er blickte die Mole hinunter. Die Häuserzeile begann erst dort, wo die Boote dicht an dicht ankerten. Licht brannte nirgends.
»Stimmt es, dass in ganz Europa der Strom ausgefallen ist?«, fragte er, sich an Kempers Aussage erinnernd.
»Wir haben seit gestern Abend keinen Strom mehr«, antwortete der rundliche Beamte. »Nichts geht mehr. Alles andere sind Gerüchte. Kein Fernsehen, keine Nachrichten. Es ist, als ob wir von der Außenwelt abgeschnitten wären. Niemand weiß, was wirklich los ist.«
»Kaum zu glauben«, erwiderte Benn unsicher, denn Kempers Aussage über den europaweiten Stromausfall wirkte plötzlich nicht mehr ganz so unwahrscheinlich. Aber wie konnte er davon so schnell gewusst haben? Und wie konnte Kempers Gesprächspartner von einem europaweiten Stromausfall wissen, wenn es keine Nachrichten gab?
Er drehte den Kopf und blickte zu Kemper, der seine Mundwinkel zu einem kurzen, spöttischen Lächeln verzog. In Benn wucherte eine unbehagliche Spannung gleich einer schnell wachsenden, gefräßigen Pflanze. Er sah wieder zum Polizisten in der Hoffnung, dieser würde den Stängel mit einem Messer durchtrennen.
»Ist aber so«, sagte der rundliche Beamte und zog Kemper zum hinteren Wagen.
Benn spürte einen Arm in seinem Rücken und drehte den Kopf.
»Sie hier, Sie hier!« Der jüngere Polizist stand hinter Benn und dirigierte ihn zum vorderen Polizeifahrzeug.
»Könnte ich vielleicht mit meiner Frau zusammen fahren?«, fragte Benn, denn der andere Beamte bedeutete Francesca, mit Kemper in den hinteren Wagen zu steigen.
»Die Fahrt ins Präsidium dauert wirklich nicht lange. Die Trennung werden Sie doch aushalten?«
»Was spricht dagegen, dass ich ...« Benn sah, wie Francesca bereits in den Wagen kletterte. Dann stieg auch Kemper ein, und der Polizist warf die Tür zu.
»Ihre Frau ist bereits gut untergebracht. Steigen Sie bitte auch ein!«
Der Nachdruck in der Stimme des Polizisten signalisierte Benn, dass er nichts ausrichten würde. Er setzte sich auf die Rückbank des Polizeiwagens, während der Fahrer, ein junger Beamter mit kurz geschorenen Haaren, ihn im Rückspiegel prüfend musterte.
Der Wagen rollte langsam die Mole hinunter bis zur Hafenmeisterei. Benn drehte den Kopf und sah durch das Heckfenster. Der Wagen mit seiner Frau war unmittelbar hinter ihnen. Er hatte sich die Nacht wahrhaftig anders vorgestellt.
»Können Sie mir sagen, wie es jetzt weitergeht?« Benn wandte sich an den Polizisten auf dem Beifahrersitz. »Meine Frau und ich sind auf dem Weg nach Bornholm. Wir wollen dort ein paar Tage Urlaub machen.«
»Ich will Ihnen ja nicht die Hoffnung nehmen, junger Mann«, erwiderte der Polizist spöttisch. »Aber Sie sollten sich damit anfreunden, dass Ihr Urlaub auf Bornholm etwas kürzer ausfallen wird. Wir haben einiges zu klären.«
»Mit mir? Ich habe diesen Kemper nur aus der See gezogen.«
»Ja, ja - aber gerade das ist es ja. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass unsere Eskorte einen Grund haben muss, oder?«
Benn zuckte mit den Achseln.
»In der letzten Nacht war einiges los hier oben. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht erinnern, solch eine Situation schon einmal erlebt zu haben.«
»Machen Sie es gerne spannend?«, fragte Benn, da es der Polizist bei der Andeutung beließ.
»Ich dachte, Sie wüssten etwas!«
»Ich?« Benn schüttelte den Kopf. »Worüber soll ich denn etwas wissen? Ich habe einen Schiffbrüchigen aus der See gerettet, der verschlossen ist wie eine Auster. Und wenn er redet, erzählt er Schauergeschichten.«
»Gerade die interessieren uns.«
»Wenn es weiter nichts ist.« Benn lachte kurz auf. Im Grunde war es nicht viel, was er dazu sagen konnte. Sollten sie damit machen, was sie wollten. »Er hat
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