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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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ganz zu Anfang gesagt, dass sie - wen er damit meinte, verrät er nicht - alle umbringen werden.«
    »Das hört sich wirklich seltsam an. Was meinte er damit? Stand er unter Schock? Was glauben Sie?«
    »Ich glaube gar nichts.« Benn ging die Fragerei des Polizisten auf die Nerven. Er war müde. »Kemper ist jedenfalls seltsam.«
    »Seltsam ist heute Nacht vieles. Ein paar Kilometer von hier wütet ein Großbrand in einem der wichtigsten wissenschaftlichen Institute Deutschlands. Und einer der Professoren ist verschwunden oder im Feuer umgekommen. Er hat nach den Aufzeichnungen des Pförtners das Institut zwar betreten, aber nicht wieder verlassen. Dazu der Stromausfall und dann Sie und Ihr Schiffbrüchiger, für den sich sogar Leute aus Berlin interessieren. Für unsere sonst so ruhige Gegend ist das ein bisschen viel auf einmal.«
    »Willkommen im Club«, sagte Benn so betont gleichgültig, dass ihn der Polizist forschend ansah.
    Benn hielt dem Blick unerschrocken stand. Mochte der Polizist denken, was er wollte. Das alles war nicht sein Problem. Und es interessierte ihn auch nicht. Er wollte mit seiner Frau nach Bornholm.
    »Ihre Kooperation ist nicht gerade sehr ausgeprägt.«
    Benn verzog nicht einmal das Gesicht. Was erwartete der Polizist? Statt ihm ein paar Minuten Ruhe zu gönnen, stellte er unentwegt Fragen. Seine Anspannung ließ allmählich nach, löste sich auf wie geschlagene Truppen, und das siegreiche Heer der Müdigkeit breitete sich fast kampflos in Benns Körper aus.
    »Sie lassen mich ja nicht einmal mit meiner Frau zusammen fahren«, sagte Benn dann doch noch. »Was ist das für eine Form der Kooperation? Geben und geben. Nicht nur nehmen.«
    »Wollen Sie nicht wissen, was los ist?«
    »Eine klare Antwort wäre mir aber allemal lieber als ein Ratespiel, bei dem ich nicht erkenne, was ich gewinnen kann.«
    »Man kann nicht immer gewinnen. Hat Ihnen das Leben das noch nicht beigebracht?« Der Polizist machte eine Pause, aber Benn nutzte sie nicht, um zu antworten. »Ich muss Sie doch nicht an Ihre staatsbürgerliche Pflicht erinnern, uns zu unterstützen, oder?«
    »Jetzt kommen Sie auch noch mit der staatstragenden Nummer.« Benns Stöhnen war unüberhörbar.
    »Das ist ernsthafter gemeint, als Sie vielleicht glauben. Wenn ich alles so zusammennehme, was ich bisher weiß, und dann noch ein paar Vermutungen anstelle, dann würde ich sagen: Sie sind mittendrin.«
    Benn schwieg. Ihn beschlich eine Ahnung.
    Nichts würde wieder so werden, wie es gewesen war.

Kapitel 10
    BERLIN
     
    Um halb sieben trat Christoph Hagen durch die offene Tür in das Büro des Bundeskanzlers, räusperte sich und blieb dann wartend am Eingang stehen.
    Das Büro des Kanzlers lag im Halbdunkeln. Arndt Fischer hatte das Licht gedimmt, als leide er unter Migräne.
    Der Kanzler saß mit geschlossenen Augen in seinem hochlehnigen Bürostuhl, die Füße lagen auf der Schreibtischplatte.
    »Es gibt da ein paar Dinge, über die wir reden müssen«, sagte Hagen schließlich, als der Kanzler nicht reagierte.
    »Noch ein paar Minuten verschnaufen, Hagen! Nur ein paar Minuten!«, entgegnete Fischer mit schleppender Stimme und hob abwehrend die Hände.
    Schließlich nahm Arndt Fischer leise ächzend die Füße von dem riesigen, halbkreisförmigen Schreibtisch, der von Kanzler Schröder angeschafft und auch von Fischers Vorgängerin nicht ausgetauscht worden war.
    Hagen wusste, dass Fischer das Monstrum hasste. Aber auch er nutzte es weiter, weil er den hämischen Kommentaren aus dem Weg gehen wollte, die bei einer Neumöblierung zu erwarten waren. Vor der kommenden Wahl wollte er solche kleinen Angriffsziele auf jeden Fall vermeiden, zumal sie manchmal viel schlechter ankamen als große Fehlentscheidungen.
    Das einzige persönliche Utensil auf der riesigen Schreibtischplatte war das Bild seiner Frau. Es stand dort, wo bei seiner Vorgängerin ein Porträt der aus Deutschland stammenden Zarin Katharina der Großen gestanden hatte.
    Die üblichen Erinnerungsstücke, die Besuchergruppen oder ausländische Gäste als persönliches Geschenk mitbrachten, standen seit Fischers Amtsantritt nur kurze Zeit auf der Fensterbank am großen Besprechungstisch, bis entsprechende Aufnahmen für das Pressearchiv gemacht worden waren, und wurden dann alsbald eingelagert.
    Arndt Fischer stand auf und trat mit seinem wuchtigen Körper an das riesige Panoramafenster des in der siebten Etage gelegenen Büros, aus dem er hinüber zum stockdunklen

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