Die Quelle
fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um schwere Nachteile für die äußere Sicherheit unseres Staates abzuwenden. Wer dagegen verstößt, begeht Landesverrat. Das Strafmaß liegt bei mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe.«
»Aha.« Bei den ersten Worten des Staatsanwaltes hatte sich Benn noch eine spöttische Antwort vorgenommen, doch nun war er so überrascht, dass ihm zunächst nichts weiter einfiel. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er sich gesammelt hatte. »Und was an der Entführung meiner Frau bringt schwere Nachteile für Deutschland?«
»Strafbar sind auch Beziehungen zu Personen und Organisationen, die ein bewaffnetes Unternehmen gegen unser Land durchführen oder die Absicht haben, es herbeizuführen oder zu fördern.«
Der Staatsanwalt rasselte den Text sichtlich zufrieden herunter.
Benn konnte kaum glauben, was er da hörte. Wenn, dann hätte er erwartet, dass sie ihn womöglich bitten würden, aus Ermittlungsgründen zu schweigen, um seine Frau nicht zu gefährden ... aber diese Begründung hörte sich wie eine Drohung an.
»Sie drohen mir!«, schrie Benn und sprang auf. »Unterstellen Sie mir am Ende etwa noch, dass ich etwas mit der Entführung meiner Frau zu tun habe? Sie sind ja irre!« Er schlug mit den Fäusten auf die Tischplatte, beugte sich weit vor. »Was soll das?«
»Was Sie da heraushören - dafür kann ich nichts. Ich zitiere nur den Gesetzestext.« Der Staatsanwalt bleckte zufrieden die Zähne. »Nehmen Sie einfach als Tatsache, dass es so ist, wie ich es gesagt habe. Die Entführung Ihrer Frau ist ein Staatsgeheimnis oder genauer: Teil eines Staatsgeheimnisses.«
»Und was heißt das konkret?«, schnauzte Benn und ließ den Staatsanwalt nicht aus den Augen.
»Dass Sie den Mund zu halten haben! Über die Entführung, über das, was vorher passiert ist, und über das, was wir hier besprechen. Und über alles, was Sie vielleicht noch hören!« Die Stimme des Zigarettenrauchers, der sich neben den Staatsanwalt gestellt hatte, wurde mit jedem Wort gröber. »Wenn Sie auch nur ein Wort da draußen verlieren, egal, zu wem, kriegen wir Sie dran! Und ich meine das ernst. Sehr ernst sogar!«
Benns Blick wanderte zwischen dem Staatsanwalt und dem Zigarettenraucher hin und her.
»Ich verstehe Sie richtig, ja? Wenn ich etwas verschweigen will, sage ich einfach: Staatsgeheimnis. Muss ich mir merken.« Benn lachte auf. »Meine Frau ist das Opfer! Sie ist entführt worden!« Das Brüllen war für Benn eine Befreiung, die den Stau der Emotionen auflöste, auch wenn die beiden Männer auf der anderen Seite des Tisches sich nicht beeindrucken ließen.
»Es werden viel mehr Informationen als Staatsgeheimnis eingestuft oder behandelt, als man gemeinhin meint«, setzte der Zigarettenraucher mit schnarrender Stimme nach. »Wenn bestimmte Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, liegt das nicht selten daran, dass sie als Staatsgeheimnis klassifiziert sind - auch wenn der Grund an sich nicht genannt wird.«
»Mit Ihnen rede ich doch überhaupt nicht - Sie sagen ja nicht einmal Ihren Namen.« Benn blickte Moltke an. »Das ist doch eine dicke, fette Ente.«
Der Staatsanwalt schüttelte sanft den Kopf. »Nein.«
»Hören Sie einfach nur zu! Sie kommen doch aus Kiel. Schleswig-Holstein. In Ihrem Bundesland gibt es das Atomkraftwerk Brunsbüttel. Das kennen Sie bestimmt, oder?« Der Zigarettenraucher wartete, bis Benn ihn ansah.
Ja, dachte Benn. Das war dieser alte Atommeiler nahe Hamburg, der vor Jahren immer wieder wegen Sicherheitsmängeln in den Schlagzeilen gewesen war. Was sollte das jetzt?
»Umweltschutzorganisationen versuchen seit Jahren, die Liste der Sicherheitsmängel aufzudecken, Hintergründe zu erfahren - aber das gelingt ihnen nicht. Wissen Sie, warum? Weil die Mängel als Staatsgeheimnis eingestuft sind. Gerichtlich bestätigt.«
»Ein sehr schönes Instrument, dieses Staatsgeheimnis«, sagte Benn verblüfft und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
Es gab nicht mehr viel zu sagen, wenn die Mängel eines Atomkraftwerkes geheim gehalten werden konnten, indem man sie zum Staatsgeheimnis erklärte. Und das, obwohl der Betreiber ein privates Unternehmen war.
»Haben Sie mir noch etwas zu sagen? Wenn nein, dann gehe ich jetzt. Das ist mir alles zu dumm.« Benn klopfte seine Taschen ab, dann stand er entschlossen auf.
»Wir sagen, wann Sie gehen können.« Der namenlose Raucher drehte sich suchend um, dann ließ er seine Zigarette einfach auf den Boden fallen,
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