Die Quelle
eine Erfindung gelungen zu sein, mit der das funktioniert, was die Physiker mit ihren riesigen Magnetspulen bisher nicht geschafft haben ...«
»... und vielleicht auch in den kommenden fünfzig Jahren nicht schaffen werden«, warf Berger ein.
Benn wunderte sich über die bösen Blicke, mit denen Hagen Berger bedachte.
»Das müssen Sie schon aushalten, Hagen.« Berger zog an der nächsten Zigarette und wandte sich Benn zu. »Sie sollten wissen, dass Hagen selbst Physiker ist. Kemper ist Chemiker. Für die Atomphysiker wäre Kempers Erfindung die Offenbarung, die tonnenschwere Grabplatte, unter der sie verrotten würden.«
»Für mich ist Kemper ein Arschloch«, erwiderte Benn und dachte an die Stunden an Bord der Motorjacht. Sein Blick wanderte zu Hagen. »Und Sie als Physiker wollen mir die ganze Zeit klarmachen, dass Kemper derjenige ist, der mit seiner Erfindung die Welt der Energie auf den Kopf stellt.«
»Ich? Meinen Sie, ich bin wahnsinnig?« Hagen tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Dafür bin ich viel zu weit weg von den Forschungen. Aber Professor Münch sagt das. Und das Problem dabei ist, dass er weiß, was er sagt.«
»Wer ist dieser Professor Münch?«
Hagen antwortete nicht auf Benns Frage. Berger jedoch lachte auf und begann zu husten, als er sich am Rauch verschluckte.
»Professor Münch ist einer der anerkanntesten Atomphysiker und Fusionsforscher Deutschlands. Er forscht in Greifswald. Und ausgerechnet der sagt nun, dass Kempers Erfindung keine Spinnerei ist. Wendet sich ab von den Großprojekten und bestätigt die Experimente von Kemper.«
»Und die Entführung Kempers scheint die Sicht des Professors nun auch noch zu bestätigen.« Benn nickte. »Das meinen Sie doch.«
»Sonntagnacht wollte sich Professor Münch noch einmal letzte Sicherheit verschaffen.« Hagen klatschte in die Hände. »Er war bereit, sein ganzes wissenschaftliches Leben auf den Kopf zu stellen, falls das Experiment erfolgreich ablaufen sollte.«
»Und? War es das?«, fragte Benn gespannt.
»Kemper sagt: ja.« Hagen hustete, als er in den Rauchschleier von Bergers Zigarette trat.
»Und wenn es tatsächlich so ist?«, setzte Benn nach.
Hagen trat dicht an Benn heran, sah ihm fast schon beschwörend in die Augen.
»Energie im Überfluss. Gefahrlos. Schlagartig. Das würde die ganze Welt verändern. Ein neues Zeitalter.«
Zweiter Tag
DIENSTAG
25. OKTOBER 2016
Kapitel 23
NAHE GREIFSWALD
Duvall wachte auf, weil er fror. Die Jacken, mit denen er sich zugedeckt hatte, waren verrutscht. Außerdem stand die Seitentür des Transporters einen Spalt offen, durch den die morgendliche Frische ins Wageninnere drang.
Er richtete sich auf und brauchte einen Moment, bis er seine Umgebung klar wahrnahm. Er hatte am Abend deutlich zu viel getrunken, nachdem er sich wieder mit Ferrand gestritten hatte.
Der hatte vorgeschlagen, diesen Schlauberger noch zu fragen, worum es sich denn bei seiner Entdeckung handelte. Aber er hatte keine Lust gehabt, sich mit dem Größenwahn Kempers zu beschäftigen. Dafür war auch heute noch genügend Zeit.
Duvall quälte sich hoch. Ferrand schien schon wach zu sein. Sein Platz auf der anderen Rückbank war leer. Duvall schob die Tür des Transporters auf und streckte seine Glieder, bis das Blut zirkulierte und die Betäubung im Kopf schwand.
Die Luft war kalt und feucht. Feine Nebelschwaden hingen wie durchsichtige Seidentücher zwischen den Bäumen und Büschen dicht über dem Boden. Er spürte die morgendliche Kälte in seinem Gesicht - und am Oberschenkel.
In seiner Hose war am Oberschenkel ein kleiner Riss. Er griff mit der rechten Hand an den Stoff und konnte einen Finger durch den Riss schieben.
Sein Geld!
Genau an dieser Stelle hatte er den kleinen Stoffcontainer mit seiner eisernen Geldreserve von innen an die Hose genäht.
Der Container war noch da. Woher kam der Riss?
Ein Dorn?
Langsam kroch eine Erinnerung in ihm hoch. Unklar, schemenhaft. Duvall wusste nicht, ob er sich an einen Traum erinnerte oder an etwas Reales. Er meinte sich entsinnen zu können, dass irgendwann in der Nacht ein Gesicht dicht über dem seinen gewesen war. Oder war es in der Nacht davor gewesen?
Duvall reagierte mechanisch, er handelte, bevor ihm überhaupt klar war, welcher Gedanke ihn antrieb. Mit großen Sprüngen hetzte er zum Haus, stieß die Tür auf, trampelte mit donnernden Schritten durch den winzigen Flur mit dem Bauschutt und trat die Tür auf.
Die Frau lag
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