Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
Vom Netzwerk:
sie mit der rechten Hand verzweifelt versuchte, ihn zu packen. Michael betätigte die Abseilbremse und wurde langsamer, bis er Zentimeter von Susan entfernt zum Stehen kam. Er griff nach seinem Reserveatemregler, dem Oktopus, und steckte ihn Susan in den Mund. Er sah die Panik in ihren Augen, als sie gierig Luft holte. Als ihre Atmung wieder langsamer ging, schnappte Michael sich den Atemregler, der um ihren Körper herumschlug, und reichte ihn ihr. Er hob die Hände und bedeutete ihr, sich zu beruhigen. Dann tastete er sie ab und untersuchte sie auf Verletzungen.
    In diesem Augenblick bemerkte er, dass Susan auf zwei leblosen Tauchern lag, deren Körper gegen die weißen Stöcke gedrückt wurden – nur dass es keine Stöcke waren, sondern Knochen, Hunderte von Knochen, Lage auf Lage: Schienbeine, Oberschenkelknochen, Schädel … Sie waren offenbar von einem Gitter am Ende des Rohrs aufgefangen worden. Die Strömung hatte den Toten das Fleisch vom Körper gerissen; viele der Knochen waren von der ständigen Strömung vollkommen blank gewaschen.
    Michael hätte nicht sagen können, um wie viele Leichen es sich handelte, doch wer immer hier hinuntergesaugt wurde, hatte keine Chance zu entkommen, weil die unglaubliche Kraft des Sogs ihn unter Wasser festhielt.
    Michael richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Taucher; ihre toten Augen waren glasig, ihre Sauerstoffflaschen leer. Das ausgefranste Ende eines dünnen Seils tanzte neben ihren Leichen im Wasser, als wollte es sie im Tod verspotten. Michaels Furcht durchbrach die Schallmauer alles bisher Dagewesenen, und das nicht wegen des Ortes, an dem Susan und er sich befanden, und auch nicht, weil sie von Tod und Verwesung umgeben waren, sondern weil er einen der Männer erkannte. Es war Lexie, Fetisows Neffe. Um seine Lenden war eine Satteltasche geschlungen, ein sperriges Teil, das bei dem Aufprall auf den Haufen menschlicher Knochen zerrissen war. Es war kein großer Riss, doch war er groß genug, dass Michael im Schein seiner Helmlampe erkennen konnte, was in der Tasche steckte: Sie war voller Gold. Michael zog sie Lexie von den Lenden und steckte sie in seine Tauchtasche.
    Susan drehte langsam den Kopf. Ihr Körper verspannte sich, als ihr bewusst wurde, was sie da berührte. Sie griff nach Michael und zog ihn zu sich heran. Michael blickte in ihre Augen und zeigte auf das verwinkelte Rohr. Langsam nickte Susan, um damit ihr Einverständnis zu bekunden.
    Michael klemmte sie an dem Seil fest und legte ihr einen Sicherheitsgurt um. Er spähte in die Röhre und die sechsunddreißig Meter hinauf, die sie von der Stelle trennten, an der sie erst einmal in Sicherheit waren. Dann zog er sich nach oben, mit aller Kraft. Nach jedem Ziehen löste er die Bremsspannvorrichtung und zog sie am Seil hinauf, ehe er die kräftezehrende Bewegung wiederholte, automatisch, ohne darüber nachzudenken. Das tosende Wasser drückte gegen seinen Körper, arbeitete gegen jede seiner Bewegungen. Es war, als liefe er gegen einen Orkan an oder würde durch dicken Schlamm kriechen.
    Und er kämpfte nicht nur gegen die Strömung, er schleppte auch noch Susan mit sich sowie Lexies schwere Tasche mit dem Gold. Obwohl Susan tat, was sie konnte, um sich selbst an dem Seil nach oben zu ziehen, war sie Michael kaum eine Hilfe. Sie war geschwächt von ihrer tückischen Talfahrt durch die Röhre und davon, dass ihr Körper auf ein grässliches Bett aus Leichen und Knochen geprallt war.
    Jedes Mal, wenn Michael sich hochzog, brauchte er alle Kraft. Seine Muskeln brannten, seine Atmung ging schneller und schneller. Die Luftblasen, die er dabei ausstieß, wurden nach unten gesaugt. Meterweise, von einer Markierung zur nächsten, kletterte er nach oben. Nach fünfzehn Metern glaubte er nicht mehr weiter zu können, doch Aufgeben war weder für ihn noch für Susan eine Alternative. An der Vierundzwanzig-Meter-Marke spürte er, wie er plötzlich weniger zu tragen hatte, da Susan begann, ihr Körpergewicht selbst zu ziehen. An der Dreißig-Meter-Marke konnte Michael vor sich den dunklen Schatten des Eingangs zur Zisterne sehen. Mit neuer Hoffnung machte er sich an die letzten sechs Meter.
    Michael zog sich hinein in die Sicherheit des abzweigenden Rohrs, befestigte sein Sicherheitsseil erneut an dem Gitter und prüfte es mehrere Male, um sicherzugehen, dass es ihn und Susan auch wirklich hielt. Dann drehte er sich um und zog sie in die relative Sicherheit des Rohrs, das zur Zisterne führte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher