Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
ihr verlangt hatte. Immer wieder schaute er nach hinten. Obwohl er Susan als zusätzliche Last betrachtete, die ihn von seinem Ziel ablenkte, respektierte er ihre Zuversicht, die größer war, als er erwartet hatte.
Sechsunddreißig Meter. Noch immer war keine Spur vom Eingang zur Liberia zu sehen. Michael wurde langsamer, und Susan tat es ihm gleich. Sie schauten sich beide um, doch nirgends war irgendein Durchgang zu erkennen. Vorsichtig ließ Michael das Seil weiterlaufen, drehte dabei den Kopf.
Und dann sah er sie vor sich, an der Neununddreißig-Meter-Marke. Zentimeterweise arbeitete er sich darauf zu, bedacht, nicht über das Ziel hinauszuschießen, da er wusste, wie anstrengend es sein würde, sich zurückziehen zu müssen und dabei gegen die Strömung anzukämpfen. Und was noch wichtiger war: Er musste sich seine Kräfte so einteilen, dass er den Rückweg noch schaffte.
Als er näher kam, konnte er sehen, dass die Öffnung einen Durchmesser von knapp einem Meter besaß und etwa fünfzig Zentimeter im Inneren eines weiteren Tunnels versteckt lag.
Michael fing den Schwung seines Körpers ab, griff durch die tosende Strömung hindurch und bekam ein Gitter zu fassen. Er benutzte es, um sich daran in den anderen Tunnel zu ziehen; dann zückte er eines seiner Tauchmesser und sah sich das Gitter an. Es hatte keine Schrauben, die man lösen konnte, kein Schloss, das man aufbrechen konnte. Er zwängte sich in den Tunnel und drückte mit seinem ganzen Körpergewicht gegen das metallene Hindernis. Ohne Widerstand zu leisten, gab das Gitter nach, und seine schweren Scharniere klappten nach oben auf.
Michael blickte hinter sich auf das Sicherheitsseil und dann nach oben in den neuen Tunnel. Mit aller Kraft zerrte und zog er an dem Gitter, um dessen Stabilität zu testen. Dies hier war der heikelste und gefährlichste Teil der gesamten Unternehmung. Er wusste, dass er sich keinen groben Fehler leisten durfte. Er griff nach der Außenkante des Gitters und klemmte einen Karabinerhaken daran fest. Dann befestigte er ein neues Seil an dem Haken – ein Halteseil, an dem er sich selbst sicherte und nach oben zog. Er schwamm drei Meter aufwärts. Hier war die Strömung minimal verglichen mit der Sturzflut, die er gerade hinter sich hatte. Er ließ das Seil nach, das an seiner Hüfte klemmte, und bewegte sich dabei stetig vorwärts, bis sein Kopf endlich durch die Wasseroberfläche stieß.
Er schaute sich um. Er befand sich in einer Zisterne. Das Licht seines Helms tanzte auf den feuchten Wänden. Der Raum war groß und erkennbar von Menschenhand gebaut, aus Ziegel und Granit. Er besaß eine niedrige Decke, und an den Wänden waren leeren Halterungen für Fackeln. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine Tür.
Michael verschwendete keine Zeit. Er ließ sich wieder unter Wasser gleiten und schwamm zurück. Susan sah ihm aus dem Hauptrohr entgegen; das Wasser schlug ihr nur so um den Körper. Michael hob den Daumen und gab ihr damit das Zeichen; dann bedeutete er ihr, sich voranzubewegen, auf ihn zu. Sie griff nach oben und befestigte ihr Sicherheitsseil an dem Gitter, griff nach hinten und löste sich von dem im Hauptrohr eingeseilten Seil. Die Strömung war noch immer gewaltig. Michael konnte sehen, wie Susans Haar, das aus dem Helm ragte, wild um ihren Kopf wogte.
Michael hielt ihr die Hand entgegen, doch sie achtete gar nicht darauf. Sie zog sich aus eigener Kraft nach oben und auf Michael zu.
Dann geschah es: Der Eisenstab des Gitters, an dem sie ihr Sicherheitsseil festgemacht hatte, zerbrach. Augenblicklich zerrte der Sog sie zurück nach unten und in den Tunnel hinein. Ihre Hände suchten verzweifelt nach einem Halt, doch es war zwecklos. Bevor Michael bewusst wurde, was geschehen war, war Susan verschwunden, hineingesaugt in die Finsternis des strudelnden Rohrs.
35.
B usch stand in der Mitte des Operationssaals. Sein Puls raste. Er hatte sich nie so sehr auf der anderen Seite des Gesetzes gefühlt wie in diesem Augenblick. Zehn Stockwerke unter dem Sitz der russischen Regierung – und kurz davor, sie zu bestehlen – war so ziemlich der letzte Ort, an dem er sein wollte.
Der Operationssaal war ein technisches Kunstwerk: computergesteuert und mit Hightech ausgestattet bis hin zu den sich automatisch ausrichtenden Lampen an der Decke. Die Kameras, die an mehreren Stellen positioniert waren, ließen den Raum eher wie eine Filmkulisse wirken und nicht wie einen Operationssaal. Es sah aus, als hätte man alles
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