Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Fetisow. »Wir nehmen eine Abkürzung und stoßen ein paar Straßen weiter oben so zu Ihnen, dass wir ihn einschachteln können.«
Michael hängte sich nur noch dichter an die Stoßstange des Rettungswagens, der förmlich über die kurze Brücke hinwegflog, die die von Booten gesäumte Moskwa überspannte. Der Verkehr wurde in beiden Richtungen zusehends stärker, und die ersten Jogger waren unterwegs. Der Rettungswagen schoss mit hundertzehn Sachen über die Brücke, als die Rücklichter plötzlich rot aufleuchteten und die Räder blockierten, sodass die Reifen rauchten. Auf der anderen Seite der Brücke ging nichts mehr. Wagen klebten dicht an dicht wie Sardinen in der Büchse. Bestenfalls ging es zentimeterweise vorwärts. Die Sirene des Rettungswagens dröhnte, doch war nirgendwo eine Lücke im Stau, in die man hätte entweichen können. Ohne jede Vorwarnung schwenkte vor Michael plötzlich ein Wagen ein. Um Haaresbreite hätte er ihn gestreift. Michael beunruhigte das nicht; der Rettungswagen konnte hier nicht weg.
Doch im nächsten Moment scherte ein zweiter Wagen vor ihm ein, dann noch einer. Es war, als wären gewisse andere Verkehrsteilnehmer im Kollektiv zu der Erkenntnis gelangt, dass da ein Weichei in ihrer Mitte weilte, das Sorge hatte, seine Stoßstange könne eine Beule abbekommen, und diese Schwäche musste man natürlich ausbeuten. Ein weiterer Wagen versuchte, vor ihm einzuscheren, aber Michael trat in schnellem Wechsel auf Gaspedal und Bremse, was dafür sorgte, dass sein Wagen sich nun ruckartig vorwärts bewegte. Er war bereit, jeden zu rammen, der sich ihm in den Weg stellte; dass er den Rettungswagen an einen Haufen aggressiver Pendler verlor, würde nicht passieren. Michael griff nach seinem Funkgerät. »Ihr braucht euch nicht zu beeilen«, sagte er. »Auf der anderen Seite der Brücke ist alles verstopft.«
»Das gibt uns mindestens fünf Minuten, um vor Ihnen dazuzustoßen«, antwortete Fetisow. Sein russischer Akzent verstümmelte die Worte, die durch die atmosphärischen Störungen ohnehin schwer zu verstehen waren. »Wenn er es irgendwie schafft, doch wegzukommen, können Sie von mir aus auch gern über den Bürgersteig fahren und ein paar alte Weiber umsäbeln, solange Sie ihm weiterhin Feuer unterm Hintern machen. Wir können es uns nicht leisten, ihn zu verlieren.«
»Was ist da unten eigentlich passiert?«, fragte Michael, der bereits wusste, dass Fetisow sie verraten hatte, indem er Lexie in die Liberia und damit unwissentlich in den Tod geschickt hatte.
»Sagen Sie mir bitte, dass Sie die Schatulle gefunden haben, denn wir haben keine Chance, noch mal in den Kreml zurückzukehren«, entgegnete Fetisow.
»Klar, wir haben die Schatulle gefunden.« Michael musste seine Wut unterdrücken aus Angst um Busch, der in einer Falle saß, ohne es zu ahnen.
»Wo?«
»Unter dem Kreml.« Wo genau die Liberia sich befand, wollte Michael nicht berichten, ebenso wenig, dass Lexie tot war.
»Das war klar. Vielen Dank für den tiefen Einblick, den Sie mir gewähren. Sollte die Polizei Sie schnappen, dürfen Sie nicht zulassen, dass die Schatulle den Bullen in die Hände fällt.«
»Seien Sie unbesorgt.« Michael wollte nichts sagen, was auf Susan hätte hindeuten können. Er umfasste das Lenkrad fest mit der linken Hand. Der Rettungswagen war jetzt dicht vor ihm in dem Verkehrsgewühl, das sich nur sehr langsam voranbewegte. »Die Schatulle ist in Sicherheit«, sagte Michael ins Funkgerät. »Wie ist das denn jetzt? Erzählen Sie mir endlich, was da unten passiert ist?« Die Wagenkolonne setzte sich in Bewegung, kroch mit zehn Stundenkilometern voran.
»Wenn Sie sich unterhalten möchten über eine Anhäufung …«
Plötzlich bog der Rettungswagen links ab, sodass seine Reifen quietschten, als er eine leere Straße hinunterraste. Michael steckte das Walkie-Talkie in seine Brusttasche und drehte genau hinter dem Krankenwagen ab. Er achtete nicht auf Fetisows Antwort, die verstümmelt aus seiner Brusttasche schallte.
Fetisow steuerte den dunkelgrünen Jeep über die Putinskaya-Brücke. Als sie an der Abfahrt rechts abbogen, konnte Busch sie sehen: Militärfahrzeuge und Polizeiwagen, die mit blinkenden Lichtern die Schnellstraße auf der anderen Seite des Flusses hinaufrasten. Sie waren nur noch etwa anderthalb Kilometer entfernt. Buschs Herz schien stehen zu bleiben. Für ihn gab es keine Frage, hinter wem die Wagen her waren.
»Wie gut sind Ihre Beziehungen?«, fragte Busch und schaute
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