Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
allgegenwärtige Heulen der Sirenen schreckte Busch nicht mehr, wohl aber der Mann, der neben ihm saß. Busch ließ Fetisow nicht aus den Augen, griff nach dem Zündschlüssel, stellte den Motor des Jeeps ab und warf die Schlüssel aus dem Fenster. »Was das angeht, irren Sie sich. Sie haben die Schatulle nicht.«
»Sie haben sie auch nicht. Und ich nehme an, dass auch Michael sie nicht hat.«
Busch wurde klar, dass Michael die Schatulle sehr wahrscheinlich Susan mitgegeben hatte – und die war Gott weiß wo.
»Ich glaube nicht, dass es schwierig sein wird, Susan die Schatulle aus den Fingern zu reißen, egal, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch lebt oder bereits tot ist. Es war ziemlich dumm von ihm, ihr die Schatulle anzuvertrauen.«
»Man wird Sie wegen Landesverrats hängen«, sagte Busch.
Fetisow grinste. »Wer sagt denn, ich hätte mein Land verraten? Sie und Michael werden für alles zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür, dass Sie in den Kreml eingedrungen sind, Antiquitäten von historischem Wert geplündert und Russlands bedeutendste Ärzte getötet haben. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.« Fetisow zwinkerte ihm grinsend zu. »Zum Teufel mit allem, ich werde hier zum Helden. Ich kann jetzt meinen Abschied nehmen und werde berühmt und reich!«
Busch spürte, wie der Verrat ihn mitten ins Herz traf. Zivera hatte sich einen russischen General gekauft, der nicht nur als Aufpasser fungiert hatte, indem er ihn und Michael auf Schritt und Tritt beobachtet hatte. Jetzt, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, würde er zudem auch noch ihr Henker werden.
Plötzlich verstummte das allgegenwärtige Geheul der Sirenen. Die Stille erschreckte Busch. Er blitzte Fetisow böse an, presste die Mündung der Waffe gegen die Schläfe des Mannes und griff nach seinem Funkgerät. »Michael? Bist du da?« Dabei wusste Busch von vornherein, dass er keine Antwort bekommen würde. Wenn sie Michael nicht bereits getötet hatten, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie ihn umbrachten. Und es war Fetisow gewesen, der Michael zur Schlachtbank geführt hatte, ihn nach seiner Pfeife hatte tanzen lassen und ihn jetzt an die Wölfe verfütterte.
Buschs Augen loderten vor Zorn, als er Fetisow anstarrte, den Mann, der Michaels Ende auf dem Gewissen hatte. Fetisow würde ungeschoren davonkommen, ohne Schuldgefühle, ohne verhaftet und zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Schließlich übermannte Busch die Wut, und er betätigte den Abzug. Der Schuss schallte in dem Fahrzeug, dass der Lärm beinahe Buschs Trommelfelle zum Platzen brachte. Rauch stieg aus der Mündung der Waffe und wehte durch den Jeep.
Aber Fetisow saß immer noch aufrecht da. Doch sein Grinsen verschwand, bis sein Gesicht einen wütenden Ausdruck zeigte.
»Haben Sie ernsthaft geglaubt, ich hätte die Waffe mit scharfer Munition geladen?«
Busch bebte vor Zorn, als er in die eiskalten Augen des russischen Generals blickte. Die Waffe, die Busch während der letzten Stunden getragen hatte, die er bei einem Schusswechsel benutzt hatte, die ihm ein Gefühl von Sicherheit vermittelt hatte – sie war immer nur mit Platzpatronen geladen gewesen. Er durfte sich glücklich schätzen, überhaupt noch am Leben zu sein.
Fetisow griff nach seiner eigenen Waffe, aber Busch packte ihn beim Handgelenk und wand ihm die Pistole aus den Fingern, sodass sie auf den Boden fiel. Immer wieder schlug er Fetisow die Faust ins Gesicht, bis der Mann blutüberströmt war. Busch legte die Hände um Fetisows Hals und drückte zu.
»Wohin … wollen Sie … fliehen?«, keuchte Fetisow, dessen blutüberströmtes Gesicht eine tiefrote Farbe annahm. »Sie sind ein Flüchtiger in einem fremden Land, dessen Sprache Sie nicht sprechen …«
So sehr Busch den Mann, der da vor ihm saß, auch töten wollte – er brachte es nicht über sich. Obwohl er mit angesehen hatte, wie Fetisow das Ärzteteam niedergeschossen hatte, obwohl dieser Mann ihn und Michael verraten hatte, brachte Busch es nicht fertig, ihn zu töten.
Ohne auch nur eine Sekunde länger nachzudenken, trat Busch die Seitentür des Jeeps auf und rannte davon, hinein in den Moskauer Morgen.
Michael lehnte sich gegen die Tür des Rettungswagens. Die Sirenen kamen näher und näher; ihr Geheul wurde ein ohrenbetäubendes Kreischen. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren und musste schleunigst raus aus diesem Ding, das offensichtlich eine Falle war. Er sprang zurück in seinen Wagen und trat aufs Gaspedal, aber es war zu spät. Eine
Weitere Kostenlose Bücher