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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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nichts tun, um Stephen aus seinem Dilemma zu helfen.
    Die Freiheit, die ihm hier in diesem gewaltigen Haus zuteil wurde, hatte eine klaustrophobische Wirkung auf ihn. Jede Bewegung, die er machte, wurde entweder von Dienstmädchen und Butlern überwacht, deren Gesichter aussahen, als wären sie aus Plastik, oder von Wachen, die große Hunde an den Leinen führten und schwer bewaffnet waren.
    Stephen saß in der Falle und war der Gnade seines Gastgebers ausgeliefert.
    Heute war er während des Trainings mit voller Kraft auf dem Laufband gerannt und hatte eine Meile in sieben Minuten geschafft. Nicht schlecht für einen achtundfünfzigjährigen Mann. Er war immer gerne aus Spaß gelaufen, aus Gründen der Fitness, um jung zu bleiben, und damit sein Herz kräftig blieb. Er machte sich selbst den Druck, immer bis an die Grenzen zu gehen, und obwohl er nicht mehr an Wettkämpfen teilnahm, stellte er sich bei jedem Lauf vor, er müsse die Ziellinie erreichen. Doch nie hatte er sein Training absolviert mit dem Gedanken, gewissermaßen für einen Notfall zu üben. Bis vor drei Tagen hätte er nie gedacht, dass er einmal um sein Leben würde laufen müssen.
    Er verdrängte sein Selbstmitleid und seine Hoffnungslosigkeit. Er verspürte eine Verantwortung gegenüber sich selbst, wie jeder Soldat sie empfand, der in einem Kriegsgefangenenlager saß. Er war dazu gezwungen; es war seine Pflicht. Er wusste nicht wie, er wusste nicht wann, aber er hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Er würde weder auf Michael noch auf sonst jemanden warten, der kam, um ihn zu retten.
    Als sein Gemütszustand wieder im Gleichgewicht war, kam ihm ein Gedanke: Er hatte sich so intensive Gedanken darüber gemacht, wie man ihn retten sollte, dass er dabei völlig versäumt hatte, an Michael zu denken und an die Gefahren, denen er ausgesetzt war. Stephen wurde klar, dass Michael ein viel größeres Risiko einging als er selbst, der in dieser schicken Suite mit Meerblick saß. Verhaftung, Verletzung, Tod: Michael riskierte alles für einen Vater, den er nie gekannt und der ihn weggegeben hatte.
    So schwer es Stephen auch fiel, in diese Richtung zu denken – auf einmal kam ihm ein Gedanke: Vielleicht ging es hier ja gar nicht darum, dass Michael ihn rettete. Vielleicht war es ja genau andersherum. Vielleicht war es an ihm, Michael zu retten, ihm endlich der Vater zu sein, der er ihm nie gewesen war. Hier bekam er die Chance, einen Sohn zurückzugewinnen, den er verloren hatte, und dieses Mal würde er sich diese Gelegenheit nicht entgegen lassen.
    Irgendwie, sagte sich Stephen, wirst du entkommen.

45.
    P aul Busch rannte durch die Straßen Moskaus, allein und auf der Flucht vor seinen Verfolgern. Er war zornig auf Fetisow und fühlte sich von ihm verraten. Aber mindestens ebenso stark belastete ihn die Furcht, seine Frau Jeannie und ihre beiden Kinder vielleicht niemals wiederzusehen. Jeannie hatte es ihm gesagt: »Geh nicht!« Sie hatte ihn nicht gewarnt. Sie hatte es nicht verlangt, sie hatte einfach nur gesagt: »Geh nicht!«
    Sie hatte recht gehabt.
    Schon häufiger hatte sie ihm prophezeit, dass er eines Tages den Hals zu weit aus dem Fenster hängen und man ihm den Kopf abreißen würde. Er hoffte, ihr beweisen zu können, dass sie sich irrte. Er hasste es, wenn sie recht behielt. Was ständig der Fall war. Und nicht zuletzt deshalb liebte er sie. Busch liebte es, morgens neben ihr aufzuwachen. Er liebte es, dass sie nach außen hin härter war als jeder andere Mensch, dem er je begegnet war, zugleich aber vom Wesen her gütiger und sanfter war als alle, die er kannte. Während all der Jahre, die er bei der Polizei gewesen war, hatte sie sich kein einziges Mal darüber beklagt, mit welcher Hingabe er seinem Job nachging; sie hatte niemals geäußert, welche Ängste sie um ihn ausstand. Nur seit Busch seinen Abschied von der Polizei genommen hatte, erwartete Jeannie, dass er sich nicht mehr in Gefahr begab, und das hatte sich als schwierig erwiesen. Er liebte den Nervenkitzel einer Verbrecherjagd, das Adrenalin und das kompromisslose Streben, das Richtige zu tun.
    Und nun war er nach Russland gekommen, weil er geglaubt hatte, auch hier für eine gerechte Sache zu kämpfen. Julian Zivera, ein Mann, den viele für den Inbegriff durchgeistigter Menschlichkeit hielten, erpresste Michael mit dem Leben seines Vaters – ein Mann, den Michael nicht einmal kannte. Michael war Buschs bester Freund; folglich war Busch ebenso fest entschlossen, Stephen

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