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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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basaltgraue Fußboden war staubig, was erkennen ließ, dass er kaum benutzt wurde. Der Gang wurde von Glühbirnen erhellt, die hier und da von der Decke herunterbaumelten und die vergessene Welt in dunkle Schatten tauchten. Abgesehen von zwei Metallstühlen und einem Tisch, auf dem eine Kanne mit dampfendem Kaffee und eine halbleere Flasche Wodka standen, gab es hier nichts.
    Raechen zog Michael durch den langen, dunklen Korridor an mehreren weiteren Zellen vorbei, bis sie zu einem Fahrstuhl gelangten, dessen Türen offen standen. Zwei Wachmänner flankierten die Tür. Ihre Gewehre lagen quer über ihrer Brust, und sie starrten geradeaus. Raechen sagte kein Wort, als er Michael in die Aufzugkabine stieß und auf einen der Knöpfe drückte. Michael hielt den Kopf zwar gesenkt, prägte sich aber jede Einzelheit ein: die Größe des Zellenkorridors, die Größe der Wachmänner und die Waffen, die sie trugen. Die Aufzugknöpfe waren mit russischen Ziffern markiert, acht an der Zahl. Sie fuhren drei Etagen nach oben, stiegen aus und betraten einen hellen Korridor, von dem es rechts und links in Konferenz- und Büroräume ging. Bis auf die beiden Wachmänner, die neben dem Aufzug gestanden hatten, hatte Michael keine Menschenseele gesehen.
    Michael wurde in ein Zimmer geführt, in dem mehrere Reihen von Bildschirmen sowie Dutzende Computer und andere elektronische Geräte standen. Raechen stieß Michael auf einen Holzstuhl und legte ihm Handschellen an, die er an der dicken Lehne festmachte. Vor ihm stand ein Fernsehapparat, auf dessen Bildschirm jedoch nur Schnee zu sehen war. Raechen drückte auf einen Knopf. Sofort liefe ein Film ab, der ein Blutbad zeigte: Männer und Frauen in weißen Kitteln und Operationskleidung wurden von Kugeln durchsiebt. Obwohl die Bilder keinen Ton hatten, konnte Michael sich die furchtbaren Schreie der Opfer vorstellen. Die Waffe des einsamen Schützen blitzte und zuckte bei jedem Schuss. Übelkeit erfasste Michael. Beim Anblick dieses Abschlachtens unschuldiger Menschen drehte sich ihm der Magen um. Er brauchte das Gesicht des Schützen gar nicht zu sehen; er wusste auch so, wer der Mann war: Nikolai Fetisow.
    »Das bin nicht ich«, sagte Michael.
    Raechen baute sich vor Michael auf, mit eiskaltem Blick, der sich in ihn bohrte. Der Russe legte den Kopf zur Seite und zog aus der einen Tasche ein Messer, aus der anderen ein Feuerzeug. »Sie haben vielleicht nicht geschossen«, sagte er. »Aber das macht Sie nicht unschuldig.«
    »Sie verstehen nicht …«, gab Michael zurück.
    »Ich verstehe mehr, als Sie denken.« Raechen drückte wieder auf einen Knopf, und schlagartig änderte sich die Szenerie auf dem Fernsehbildschirm. Michael durchfuhr es eiskalt, als er die Außenmauern des Kremls sah, den schwarzen ZIL, der dastand, während der Motor im Leerlauf lief, während er selbst hinter dem Steuer saß.
    Raechen stoppte das Video. »Ich weiß um den Wert eines Menschenlebens. Ich werde es Ihnen zeigen.«
    Raechen schnippte das Feuerzeug an und hielt die Flamme unter die Messerklinge, bis sie rot glühte. Dabei starrte er Michael ins Gesicht. Michael suchte nach einem Funken Barmherzigkeit, nach einem Hauch von Mitleid, doch er suchte vergeblich. Er hatte es mit einem Mann zu tun, der ohne jede Hoffnung war und der mit der gleichen Kraft auf Rache sann, mit der er liebte.
    »Die meisten Leute reden, wenn sie die Folter nicht mehr aushalten«, sagte Raechen ohne jedes Gefühl, und um die Klinge herum begann die Luft von der Hitze zu wabern. »Nur sehr wenige halten durch. Ich hoffe, dass Sie keiner von den Männern sind, die körperliche Schmerzen bis zu dem Punkt erdulden können, an dem er sie umbringt.«
    Raechen steckte das Feuerzeug zurück in die Tasche. Das glühende Messer hielt er Michael vor die Augen. Dann umklammerte er den Knauf mit beiden Händen und stieß die Klinge zwischen Michaels Schenkel, wo sie sich in den Holzsitz des Stuhls grub, nur Millimeter von Michaels Weichteilen entfernt. Michael rührte sich nicht, zuckte nicht mit der Wimper, blinzelte nicht einmal, sondern hielt Raechens starrem Blick stand.
    Raechen schob den Ärmel von Michaels Hemd hoch und umklammerte mit eisernem Griff Michaels nackten Unterarm. Der Geruch von brennendem Holz stieg vom Stuhl auf. Rauchringe schwebten durch die Luft. Raechen packte den Knauf des Messers und zog die rotglühende Klinge aus dem Holz.
    Sie starrten einander weiterhin an. Michael hatte Mühe, nicht die Fassung zu verlieren und

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