Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
höchsten Höhen militärischer Größe aufzusteigen und Teil jener einzigartigen Armee zu werden, die Napoleons und Hitlers Streitkräfte in die Knie gezwungen hatte.
Jetzt saß er dreißig Meter unter der Erde an einem kleinen Holztisch vor einem Blechbecher mit einem Gemisch aus Wodka und Kaffee und hatte eine Position inne, die in etwa der eines Gefängniswärters entsprach, wobei seine Aufgabe darin bestand, einen einsamen amerikanischen Gefangenen mit Namen Michael St. Sowieso zu bewachen. Dimitris Traum war zerbrochen – so, wie die UdSSR nach der Perestroika zerbrochen und in Vergessenheit geraten war wie die sechsundzwanzig Millionen Sowjetbürger, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren hatten. Dimitris Karriere bestand aus leerem Geschwätz und Kartenspielen mit Genosse Soldat Peljo Kestowich. Dimitri sehnte sich nach einer Schlacht, nach der Chance, sein Talent unter Beweis zu stellen, seine Nahkampfqualitäten – nach einer Gelegenheit, sich dem Gedenken an seine Eltern würdig zu erweisen und alles, was er so hart erlernt hatte, im Dienste für Mütterchen Russland einzusetzen.
Weder Dimitri noch Peljo wussten, warum man sie in die Eingeweide der Erde verbannt hatte. War es Bestrafung oder einfach nur Pech? Die so genannte Schwarze Abteilung, die auf verdeckte Maßnahmen spezialisiert war, gab es schon seit Jahren nicht mehr. Es gab Gerüchte über Operationen der Schwarzen Abteilung – so, wie über alle Divisionen der kommunistischen Ära gemunkelt wurde –, doch Dimitri und Peljo hatten nicht an ihre legendäre Existenz geglaubt, bis man sie eingeteilt hatte, für Ilja Raechen zu arbeiten – einen Mann, der einen schlimmeren Ruf hatte als der Teufel persönlich.
Das Läuten des Fahrstuhls riss Dimitri aus seinen Tagträumen und ließ ihn und Peljo hastig Habtachtstellung einnehmen. Stocksteif standen sie da, beobachteten, wie die Türen des Fahrstuhls sich öffneten und waren bereit, Ilja Raechen schneidig zu grüßen – nur kam er nicht, und auch sonst niemand. Die Türen öffneten sich. Dahinter tat sich eine leere Fahrstuhlkabine auf, in deren Mitte ein einsamer Holzstuhl stand. Dann schlossen die Türen sich wieder, und der Aufzug entschwand, wobei er leise vor sich hin summte.
Die beiden Wachmänner sahen einander an, dann setzten sie sich in nahezu synchronem Bewegungsablauf wieder auf ihre Stühle.
Doch gleich darauf machte es noch einmal Ping . Die Männer sprangen auf, sahen aber wieder nur eine leere Fahrstuhlkabine. Wieder warfen sie einander verwirrte Blicke zu, bevor die Türen sich wieder schlossen und das Summen des Aufzugs leiser wurde, als er nach oben entschwand.
Dimitri und Peljo setzten sich erneut – nur um gleich wieder vom Geläut des Fahrstuhls aufgeschreckt zu werden. Dieses Mal erhoben sie sich nur widerwillig und standen ebenso widerwillig da, als der leere Fahrstuhl sich erneut öffnete. Sie grinsten beide, als die Türen sich wieder schlossen. Aber dieses Mal setzte Dimitri sich nicht wieder hin. Er ließ seinen Kameraden allein Platz nehmen und ging zu dem offenbar fehlerhaften Aufzug, um auf dessen unvermeidliche nächste Ankunft zu warten. Prompt läutete der Lift aufs Neue.
Als die Türen sich öffneten, blickte Dimitri auf den einsamen Holzstuhl in der Mitte der Kabine. Ihm fiel auf, dass der Stuhl, der vor ihm stand, viel bequemer aussah als der, auf dem er die letzten acht Stunden gesessen hatte. Er warf sich sein Gewehr über die Schulter, betrat die Fahrstuhlkabine und schnappte sich den Stuhl.
Zu keiner Sekunde sah Dimitri den Gefangenen Michael St. Sowieso, der sich in die Ecke der Kabine gezwängt und nur darauf gewartet hatte, sich auf seinen Bewacher stürzen. Die Drahtschlinge glitt über Dimitris Schädel mit dem blonden Stoppelschnitt und zog sich fest um seinen Hals. Statt instinktiv nach seiner Kehle zu greifen, schlug Dimitri auf seinen Angreifer ein. Seine Schläge ließen Michael rückwärts gegen die Fahrstuhlwand prallen. Michael versetzte dem Wachsoldaten drei wuchtige Schläge, doch sie reichten nicht einmal aus, den Mann ins Wanken zu bringen. Dimitri machte sich gar nicht die Mühe, nach seiner Waffe zu greifen, als er Michael in Augenschein nahm. Er wusste, es würde nur Sekunden dauern, bis er ihn halbtot geprügelt hatte. Er hämmerte seine Faust gegen Michaels Schädel und schleuderte ihn zu Boden, sodass Michael sich wand und hilflos mit den Beinen strampelte.
Dimitri spürte einen leichten Zug an der Schlinge um seinen
Weitere Kostenlose Bücher