Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
Vom Netzwerk:
hatte.
    Michael saß am Esstisch und hatte seine Tabellen und Dokumente vor sich ausgebreitet. Es war drei Uhr morgens, die Zeit, da er am besten denken konnte. Die Welt war still und schlief, und es gab keine Unterbrechungen. Ganz besonders behagte ihm der Zeitunterschied. Es war das erste Mal, dass ihm ein Jetlag lieb war.
    Er fragte sich, was er hier eigentlich tat. Michael hatte noch nie von einem Raubüberfall im Kreml gehört; er bezweifelte nicht, dass es Versuche gegeben hatte, nur kannte er niemanden, der den Mauern des Kremls jemals wieder entkommen wäre, sodass er seine Geschichte erzählen konnte. Je länger er nachdachte über die Aufgabe, die vor ihm lag, desto mehr wünschte er sich, er sei dabei, einen Überfall auf das Weiße Haus zu planen: dann wäre ihm, wenn man ihn schnappte, zumindest ein faires Gerichtsverfahren zuteilgeworden.
    Michael zog die Karte hervor, die das Gelände unter dem Kreml zeigte, und schaute sie sich eingehend an. Das Bild war anderthalb Meter breit, fast einen Meter hoch und bot eine umfangreiche Darstellung der gesamten unterirdischen Welt des Kremls. Jedes Zimmer war markiert, jeder Pfad detailliert eingezeichnet; die Karte war der Schlüssel zu einer lange verloren geglaubten Geschichte des Kremls und eine Fibel seiner vergessenen Schätze, Geheimnisse und Kontroversen. Die Detailarbeit war überwältigend, denn sämtliche Ebenen waren im Einzelnen dargestellt und mit Bildunterschriften und Wegbeschreibungen versehen, die fünfhundert Jahre zuvor niedergeschrieben worden waren. Flüsse und Tunnel, Gewölbe und große Räume, alle bis ins Detail genau einschließlich der gespenstisch darüber gezeichneten Strukturen der eigentlichen Kreml-Gebäude, die über der Erde auf festen Boden standen. Die Darstellung der kleinen Stadt entsprach nicht einmal ansatzweise der derzeitigen Anlage mit den neuen Gebäuden, aber über diese Kleinigkeit zerbrach Michael sich nicht den Kopf. Wenn er die vorliegende Karte »hochrechnete« und diese Schätzungen mit den Abbildungen des unterirdischen Geländes verband, hatte er den Anhaltspunkt, den er brauchte, um den Weg zur Liberia zu finden und obendrein zu dem neu errichteten Laboratorium zu gelangen, in dem man Genevieve gefangen hielt.
    Die Lage der byzantinischen Liberia war auf der westlichen Seite der Karte markiert, unweit der Ufer der Moskwa. Die Bibliothek schien sich vierzig Meter unter der Wasseroberfläche zu befinden und durch eine Reihe von Tunneln und Kanälen erreichbar zu sein, die zu einer Feinstruktur gehörten, die vor fünfhundert Jahren modern gewesen war. Nur erzählten ihm die Zeichnungen auf dem Pergament nichts von dem Verfall, der mit den Jahrhunderten gekommen war. Er wusste nicht, ob die skizzierten Durchgänge noch existierten oder durch Steinschlag und Einstürze zerstört worden waren, und ob er somit eine Landkarte studierte, deren Wert nicht größer war als der eines Kunstwerks, das sich gut in einem Rahmen machte. Doch wie immer der Fall auch lag: Morgen würde er herausfinden, ob er wirklich eine Chance auf Erfolg hatte.
    Susan spazierte herein, eingehüllt in einen langen seidenen Morgenmantel. Sie hatte ihn nicht zugebunden, sodass er bei jedem Schritt flatterte. Ihr schwarzes Haar war ausgebürstet und fiel ihr offen über die Schultern. Sie trug kein Make-up, und Michael fragte sich, warum sie sich überhaupt die Mühe machte, es jeden Tag neu aufzulegen. Sie hatte eines dieser seltenen Gesichter, die keinerlei Akzentuierung bedurften, in denen weder etwas kaschiert noch hervorgehoben werden musste, um seinen Reiz zu verstärken.
    Michael zwang sich, wieder auf seine Arbeit zu schauen.
    »Sie können auch nicht schlafen, stimmt’s?«, fragte Susan und setzte sich Michael gegenüber auf einen Stuhl.
    »Ich habe es nicht so mit dem Schlafen.« Michael hielt den Kopf weiterhin gesenkt, vergrub sich in seine Arbeit. »Brauchen Sie irgendetwas?«, erkundigte er sich, mehr um sie loszuwerden und nicht so sehr, um ihr zu helfen.
    »Ich bin nur hergekommen, um Ihnen zu sagen, dass es mir leidtut.«
    Michael sah auf. »Was tut Ihnen leid?«
    Sie spitzte die Lippen. »Was ich getan habe, was ich gesagt habe.« Sie machte eine kurze Pause, bevor sie hinzufügte: »Dass Sie Ihre Frau verloren haben.«
    Einen Moment starrte Michael sie an. »Danke.« Wieder widmete er sich seiner Arbeit.
    »Wie schaffen Sie es?«, fragte Susan leise.
    »Schaffe ich was?« Michael sah nicht auf.
    »Wie bewältigen Sie das

Weitere Kostenlose Bücher