Die Quelle
als
könne sie gesamte Welt gedanklich umarmen… Veronika… Die Klänge
wurden lauter, Lisa wurde ein Teil von ihnen… und dann fand sie die vertrauten
Gedanken Veronikas… Es war so leicht gewesen… Selbstzufrieden betrachtete Lisa
durch Veronikas Augen ihren Vater. Nach nur wenigen Augenblicken vermochte sie
es sogar in seine Gedanken zu spähen… Sie blieb jedoch vorsichtig an der
Oberfläche... Fast beängstigten sie die Möglichkeiten, die sich
ihr eröffneten… Sie fühlte sich schäbig derartig andere Menschen
auszuspionieren, dennoch obsiegte ihre Neugier…
*
Sie saßen gemeinsam in der Ankunftshalle am Wiener
Flughafen in einem Café, im bunten Hundertwasserstil gebaut. Veronika
hatte Schwierigkeiten sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Es
störten die viele Reisenden, die an ihrem Tisch vorbeigingen, es
störten die lauten Ansagen und die hektisch geführten Gespräche
der Menschenmasse. Dennoch bemühte sie sich, den Mann mit dem frechen
Lächeln und den ungepflegten Haaren nicht aus den Augen zu lassen. Sie
wollte nicht vergessen, dass dieser Mann vermutlich ihre Tochter vergewaltigt
hatte.
Ein Wiedersehen mit Sandra hatte er sich anders
vorgestellt, als den prüfenden Blicken ihrer Mutter standhalten zu
müssen. Er hatte das Gefühl, von einer Geheimpolizei verhört zu
werden. Er nahm an, bislang die Prüfung bestanden zu haben, zumindest was
seine berufliche Karriere anging. Es schien jedoch Veronika misstrauisch zu
stimmen, dass er niemals geheiratet hatte. Den wahren Grund dafür hatte er
ihr nicht geben können. Es klang einfach nicht gut, wenn man behauptete,
einen Geist in sich zu tragen, der einen zu beobachten schien, auch dann wenn
man mit einer Frau im Bett lag. Wie hätte er dieser alten Dame, die
verzweifelt versuchte vornehm zu wirken, erklären können, dass er
einfach nicht auf flotte Dreier mit einem Geist stand? Er hatte auf diese
indiskrete Frage die bestmögliche Antwort gewählt und hoffte, sie
würde ihn jetzt nicht für einen Schmeichler halten.
„Ich habe nie eine Frau getroffen, die mich so angezogen
hat, wie ihre Tochter. Das ist auch der Grund, weshalb ich heute hier bin. All
die Jahre hatte ich gehofft, ich würde sie wieder finden.“
Veronikas Gesicht sah nun aus, als hätte sie in eine
Zitrone gebissen. Er kannte diese Frau zwar nicht und konnte ihre Reaktionen
noch nicht präzise einschätzen, doch das sagte sicherlich nichts
Gutes aus... Er hatte wohl zu hoch gepokert. Sie atmete tief durch und ihr
Blick wurde streng. Daniel musste sich zusammenreißen, um bei so viel
gewollter Körpersprache nicht los zu prusten. Glaubte sie, er würde
Angst vor ihr bekommen? Er entschied sich nun dafür, den Spieß
umzudrehen: er hatte genug von diesem Spiel, es war an der Zeit fur ihn, das
Gespräch zu leiten. Er begann zu erzählen, wie er versucht hatte
Sandra ausfindig zu machen. Sollte ihre Mutter danach noch immer nicht milde
gestimmt sein, würde er bestimmter werden und die Höflichkeiten
aufgeben müssen.
„...Erst jetzt verstehe ich, weshalb ich sie nie finden
konnte. Ich hatte einen falschen Namen… Die Vermieterin in Italien hatte mir
nicht nur eine falsche Telefonnummer gegeben, sie hat mir auch einen falschen
Namen gegeben. Sie sagte, dass Sandras Nachname Kralik ist, nicht Koller.“
Veronika sah ihn geringschätzig an, doch ein
leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Das ist mein Mädchenname. Bettina, die Vermieterin,
kenne ich noch von meiner Jugend, als ich mit meinen Eltern dort Urlaub gemacht
habe.“
Daniel seufzte im Gedanken an die verlorenen Jahre. „Nun
da ich all ihre Fragen beantwortet habe, hätte ich gerne gewusst, was hier
eigentlich gespielt wird. Sandra schreibt mir, bittet mich herzukommen, und nun
ist sie nicht da! Bei allem Respekt, Sandra ist eigentlich aus dem Alter raus,
wo ihre Mutter die Anstandsdame spielen muss und bestimmen darf, wen sie wann
trifft!“
Veronika lächelte gezwungen, doch Daniel erhielt nun
endlich seine Antworten.
Er erfuhr von der langen Therapie und vor allem aber
erfuhr er von seiner Tochter Lisa. Veronika ließ keine Zweifel
darüber aufkommen, dass sie ihn für Sandras Zustand nach wie vor
verantwortlich machte und diesem Treffen nur widerwillig zugestimmt hatte.
Daniel brauchte eine Weile um diese Neuigkeiten zu
verdauen. Er hatte eine fünfzehn Jahre alte Tochter! Er konnte es kaum
fassen, doch gleichzeitig überwältigte ihn dieser Gedanke. Die Fragen
in seinem Kopf überschlugen
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