Die Quelle
Wichtig ist, dass wir den Grund dafür
finden und ihn bekämpfen. Zweifel kann sich keiner von uns erlauben.“
Mehana nickte. „Wenn alle das Problem haben, schlage ich
vor, dass wir uns morgen in einen Unterrichtssaal setzen und uns von Alienta
helfen lassen.“
Galtiria rümpfte die Nase, wodurch sie offenkundig
ihre Abneigung gegenüber dem alten Regenten verriet. Mehana entdeckte in
Galtirias Gedanken das Bild Alientas, wie er mit erhobenem Haupt durch die
Straßen schritt, als sei er der König selbst. Diese Vorstellung
Galtirias war zwar der von Mehana nicht unählich, dennoch war es von der
Kriegerin nicht richtig, sich von einem Gefühl leiten zu lassen. Es war
Mehanas Pflicht sie darauf aufmerksam machen.
„Alienta hat möglicherweise seine seherischen
Fähigkeiten zum Teil verloren, aber nicht seine Heilkräfte und sein
Gespür. Er wird sicherlich herausfinden können, was mit uns allen
passiert ist. Zweifel ist ein zu seltenes Gefühl, als dass es Zufall sein
könnte, dass wir es alle haben...“ Um ihren Worten mehr Nachdruck zu
verleihen, sah Mehana Galtiria direkt an, ehe sie weiter sprach. „...Allerdings
solltest du deine Gedanken über ihn gut verstecken, er kann nämlich
sehr tief blicken und er kann nachtragend sein!“
Galtirias kriegerische Natur kam schlagartig zum
Vorschein.
„Nachtragend? Das ist ein Beweis mehr, dass er nie ein
guter Regent war! Aber keine Angst, meine Gedanken offenbare ich immer nur,
wenn ich es will.“ Leise, fast zögerlich sprach Galtiria weiter und
verriet, was sie anscheinend schon lange als Geheimnis in sich getragen hatte
und bislang nicht gewagt hatte auszusprechen. „Ich verstehe nicht, weshalb du
dich noch immer an ihn wendest, wenn du einen Heiler benötigst oder einen
Rat suchst. Das schwächt dein Ansehen. Es gibt doch andere Heiler, die
genauso helfen könnten.“
Mehana war dankbar für Galtirias Direktheit und
bewunderte ihren Spürsinn. Es war ihr anscheinend die
außergewöhnliche Leistung gelungen, Alienta zu durchschauen obwohl
sie keine visionären Kräfte zu ihrer Verfügung hatte. Mehana
wusste jetzt, sie konnte offen mit Galtiria sprechen. Die Kriegerin war stark
genug, um Geheimnisse tief in sich zu bewahren und es war an der Zeit, sich
zumindest eine Verbündete zu schaffen.
„Er ist ein sehr guter Heiler, aber du hast Recht, es
gibt davon auch andere. Ich habe mir mein Verhalten ihm gegenüber genau
überlegt. Ich zeige ihm genau die Schwächen, die ich gewillt bin, ihm
zu zeigen. Vor allem jedoch verberge ich meine Stärken. Er hat damals
gelogen, als er sagte, er habe überhaupt keine Visionen mehr und wolle deshalb
die Regentschaft abtreten. Weshalb er das getan hat, habe ich leider noch nicht
gesehen, aber ich weiß, dass wenn ich mich von ihm zurückziehe und
ihn nicht behandle, als würde ich ihn brauchen, er mir und dadurch unserem
Volk sehr gefährlich werden kann.“
Galtiria wirkte schockiert. Mehana brauchte nicht lange
in die Gedanken der Kriegerin zu spähen, um den genauen Grund dafür
zu finden. Was sie ihr gesagt hatte, hörte sich nach einem Verrat Alientas
an, und Verrat war etwas, dass es in ihrer Stadt schon seit Jahrhunderten nicht
mehr gegeben hatte. Galtirias hatte ihm gegenüger zwar Misstrauen empfunden,
jedoch hätte sie solche Ausmaße nie vermutet.
„Heißt das, dass du dir von Jemand helfen
lässt, der dir eigentlich schaden will? …uns allen schaden will?“
Mehana lächelte. Ja, sie spielte ein
gefährliches Spiel.
„So ist es. Wenn ich ihn ständig aufsuche, ihm
ständig Aufgaben stelle und so oft es geht, an seiner Seite bin, wann hat
er dann Zeit, seinen Verrat richtig zu planen? Es ist schwer, sich in meiner
Anwesenheit zu verstellen, das beschäftigt ihn mehr, als ihm recht ist.“
Galtiria sah die Regentin bewundernd an und als Mehana
die Gedanken der Kriegerin ertappte, war sie froh darüber, sich ihr
anvertraut zu haben. Sie entdeckte nicht nur Galtirias Respekt für sie,
sie sah auch, wie ausgeglichen und scharfsinnig inzwischen die einst so
rebellische Galtiria geworden war. Sie wusste, sie konnte nicht nur auf ihr
Schweigen vertrauen sondern auch auf sie zählen, sollte die Situation
eskalieren.
Als Mehana fertig gegessen hatte, entschieden sich beide
Frauen dafür, auf dem Dach des Gebäudes auf den Sonnenaufgang zu
warten. Dort auf dem frischen, weichen Gras im Garten, saßen bereits
einige der anderen Magier. Sie hatten alle die Bänke verschmäht, als
würde die Nähe zur
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