Die Quelle
erneut zu rufen.
„Es tut mir so leid, Lisa...“
„Es braucht dir nicht Leid zu tun. Alles was zählt,
ist dass du jetzt da bist. Jetzt da ich dich brauche.“, Noch während sie
sprach spähte sie in den Geist ihres Gegenübers…
Die Zeit schien still zu stehen. Daniel wusste nicht, was
seine Tochter für Probleme hatte, doch er wusste, woraus sie geboren war
und er erschauderte bei dem Gedanken an die Nacht, in der sie gezeugt wurde.
War sie ein ganz normaler Teenager? Tief in seinem Körper regte sich
Giorgio und widersprach.
Daniel blickte in Lisas Gesicht. Jede Spur von Kälte
und Autorität waren verschwunden. Wie viel Last hatte dieses so junge
Mädchen schon tragen müssen?
„Ja, ich bin jetzt für dich da. Ich werde dir
helfen.“
Lisa lächelte ihn an, er konnte sehen, wie sie gegen
die Tränen ankämpfte und auch er bemühte sich um
Selbstbeherrschung. Konnte es sein, dass er es schon in den ersten Minuten
geschafft hatte, die offensichtlich harte Schale seiner Tochter zu knacken?
‚Ja, Giorgio… Natürlich hast du das’, dachte Lisa,
doch sie sprach ihren Gedanken nicht aus. Sie atmete tief durch. Sie hatte das
Gefühl, Daniel alles sagen zu können. Sie wollte gerade anfangen zu
erzählen, als Veronika durch die Tür kam und Daniel streng ansah.
Lisa ließ ihr jedoch keine Zeit etwas zu sagen.
„Geh!“ Ihre Stimme klang schärfer, als sie es
tatsächlich beabsichtigt hatte. Erschrocken stellte Lisa fest, wie Giorgio
daraufhin verschreckt zusammenzuckte und sich tiefer in Daniels Wesen
zurückzog.
Veronika schien von Lisas kurzem Wutanfall wenig
beeindruckt, doch als Daniel eine Hand auf die Schulter seiner Tochter legte
und sie ihn mit einem strahlenden Lächeln ansah, wirkte sie
überrascht. Höflich bemühte sich Daniel darum, die Lage zu
entspannen.
„Frau Kralik, machen sie sich keine Sorgen. Gönnen
Sie uns einfach ein Vater-Tochter-Gespräch, wir hatten in den letzten
fünfzehn Jahren noch keine Gelegenheit dazu. Sie haben doch sicher
Verständnis dafür?“
Veronika schien kurz zu überlegen und Lisa sah in
ihren Gedanken, dass sie Daniel für einen Charmeur übelster Sorte hielt.
Sie war nicht bereit sich von ihm betören zu lassen, dennoch würde
sie nachgeben, um Lisas Willen. Veronika sah sie besänftigend an.
„Ich bin in der Küche, falls du mich brauchst.“
Lisa bemühte sich ebenfall um Schadensbegrenzung.
„Wie geht es Mama?“, fragte sie, obwohl es sie gerade nur bedingt
interessierte.
Obwohl Veronika kurz zögerte vor Daniel darüber
zu sprechen, antwortete sie. „Ich musste ihr ein Valium geben.“, sagte sie
trocken während sie den Raum verließ, um nicht noch mehr Fragen
beantworten zu müssen.
Daniel wirkte besorgt. „Nimmt sie oft solche Art von
Medikamenten?“
„Meistens nimmt sie die meinetwegen, sie erträgt
meine Nähe nicht.“, warf Lisa ihm in bitterem Tonfall entgegen und
versuchte dabei seine Reaktion zu durchschauen. Seine Gedanken waren jedoch
kaum noch zu lesen, als habe er sie plötzlich versperrt. Obwohl sie sich
darüber ärgerte, gewann er dadurch ihre Achtung.
Sie erzählte ihm alles, was ihr wichtig erschien und
er hörte ihr aufmerksam zu, stellte nur wenige Zwischenfragen und zeigte
kaum eine Reaktion, auch nicht dann, wenn sie sich bemühte, ihn zu
provozieren. Er musste in einer knappen Stunde die letzten fünfzehn Jahre
verdauen, doch vor allem erzählte Lisa von den seltsamen Geschehnissen der
letzten Monate. Ihm erzählte sie sogar von den Klängen und von der
Macht, die sie ihr verliehen. Ihre Hoffnung, er würde sie ebenfalls
hören, verflog, doch das Verständnis, das er zeigte, gab ihr dennoch
Zuversicht. Sie gab zum Abschluss sogar zu, manchmal Angst vor sich selbst zu
haben. Als sie fertig war, überlegte sie, ob sie Daniel fragen sollte, ob
der Name Giorgio ihm etwas sage, doch sie konnte sich noch zu gut an die
Reaktion ihrer Mutter erinnern und sie wollte Daniel nicht schaden. Sie hatte
noch immer keine Möglichkeit zu erraten, was ihr Vater jetzt dachte. Seine
Gedanken waren schwer zu erreichen und das machte sie etwas unsicher. Hielt er
sie jetzt für verrückt?
„Und?“, sagte sie, als er schweigend über ihre
letzten Worte nachdachte.
Daniel glaubte Lisa zu durchschauen. Sie war
herausfordernd, frech, stark und doch brauchte sie nichts sehnlicher als ein
wenig Bestätigung. Er liebte seine Tochter jetzt schon, nach nur einer
Stunde mit ihr.
„Jetzt bin ich mit Erzählen dran und dann
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