Die Quelle
während des
gesamten Gespräches im Hintergrund zusammen mit den zwei anderen Frauen
seines Vaters gesessen. Er bekam von ihr jedoch weder Tadel noch
Unterstützung. Sie wirkte, als sei sie auf alles gefasst. Sihldan
würde keine Gelegenheit erhalten, mit ihr darüber zu sprechen und
ihre Meinung zu erfahren. Schon seit Jahren bekam er sie kaum noch zu Gesicht,
da Isentien nur selten seine Frauen aus dem Zelt ließ.
Sihldan schluckte schwer und warf ihr noch einen letzten,
liebevollen Blick zu, ehe er aufstand. Seine Mutter verstand seine stumme
Botschaft, denn sie bemühte sich zurückzulächeln, ehe sie den
Blick senkte, um ihre Tränen zu verbergen.
Wutentbrannt war Sihldan, als er seinen Vater
verließ. Seine Männer würden schon an seinem Verhalten erkennen,
dass er erneut gescheitert war. Zwei Reiter kamen in diesem Augenblick
erschöpft und erfolglos von der Jagd zurück und ihr Erscheinen
besiegelte Sihldans Entschluss. Seine Stimme erhob sich laut und deutlich.
Jeder seines Clans konnte ihn hören.
„Ich höre von meinem Vater, dass ich unsere
Götter verrate, wenn ich euch zu der fruchtbaren Ebene auf der anderen
Seite der Berge führe. Ich höre diese Worte von meinem Vater und doch
schicken mir die Götter ein Zeichen.“
Er deutete demonstrativ auf die zwei Jäger und fuhr
fort.
„Diese zwei erfolglosen Jäger sind in dem Augenblick
erschienen, da ich die Götter fragte, was ich tun soll. Die Antwort der
Götter ist eindeutig: Hier werden wir verhungern! Kann es der Wunsch der
Götter sein, dass wir schwach und ehrlos zu Boden gehen? Ich sage nein! Morgen
früh breche ich zu den Jagdgründen auf, die Selimkas Söhne mir
gezeigt haben, und ich werde dort als freier Nomade leben! Wir sind nicht
geboren, um zu dienen! Wir sind nicht geboren, um das Haupt zu senken! Folgt
mir, wenn das Blut in euren Adern noch weiß, was es bedeutet, ein Nomade
zu sein!“
Isentien erschien vor der Tür seines Hauses, seine
Stimme war von Zorn geprägt als er theatralisch seinen Sohn anschrie. „Sihldan!
Du bist nicht länger mein Sohn! Wenn du es jemals wagen solltest, mir
unter die Augen zu kommen, bist du des Todes! Jeder der dir folgt, wird auf
ewig ein Feind von Isentiens Clan sein!“
Sihldan und sein Vater tauschten einen feindseligen,
herausfordernden Blick aus. Trotz dem, was nun gleich passieren musste,
spürte er Erleichterung. Nach all den Jahren, in denen er sich der
tyrannischen Herrschaft seines Vaters hatte beugen müssen, hatte er sich
endlich von ihm befreit. Laut und voller Selbstvertrauen sprach er die Worte
aus, die von ihm erwartet wurden.
„Sihldans Clan reist morgen ab! Sihldans Clan spricht
sich frei von Isentien und von der Knechtschaft eines blutrünstigen
Herrschers, der einst unser Gott war. Sihldans Clan wird morgen wieder so
leben, wie es echten Nomaden gebührt. In Freiheit!“
Kaum hatte er die Worte Sihldans vernommen, verschwand
Isentien in seine Behausung. Sihldan wusste, was nun geschehen würde und
er wusste auch, wie machtlos er angesichts der Gesetze der Nomaden war.
Obwohl sein Herz weinte, blieb sein Blick kalt und stolz,
wie es sich für einen Clananführer gehörte. Er rührte sich
nicht, als er den abgetrennten Kopf seiner Mutter aus der Hütte rollen
sah.
*
Schon wieder reiten und diesmal sogar ohne Sattel.
Ethira und Krial waren erleichtert, als sie am Abend des
dritten Tages den Wald der Quelle erblickten. Hundertfünfzig Krieger vom
Volk der Wächter waren gemeinsam mit ihnen auf dem Weg zum See,
angeführt wurden sie von Esseldan.
Mehana war nicht unter ihnen. Sie war in der Stadt
geblieben, wie es dem Schlachtplan entsprach, den die Krial, Ethria und der Rat
von Ker-Deijas gemeinsam entworfen hatten. Sobald ihre Feinde die Stadt
betreten würden, würde sich zeigen, wie gut ihre Kriegslist
tatsächlich war.
Ethira brannte vor Neugierde, endlich den legendären
See zu entdecken und sie staunte bereits über das intensive Grün des
Waldes, der vor ihr lag. Krial widmete seine Aufmerksamkeit derselben
Landschaft, doch er studierte es als ihr zukünftiges Schlachtfeld.
Plötzlich erhielten alle einen stummen Befehl von Esseldan und hielten in
ihren Gedankengängen inne. Inzwischen hatten sich auch beide Räuber
an die ständigen telepathischen Botschaften gewöhnt und wie alle
anderen auch, warteten sie auf weitere Anleitungen Esseldans. Nun bemerkten auch
sie den kleinen Trupp, der vom Berghang herab kam und sich langsam zu Fuß
näherte. Ethira war die
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