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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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verurteilt
hätten. Was war nur in sie gefahren? Lilldaye war eine von ihnen, sie
hatte doch nur ihrer Göttin dienen wollen!
    Mayendrik erinnerte sich an Anthalions leises,
verzücktes Lächeln als er die Worte der Hohepriester gehört
hatte. Hatten sie sich in Grausamkeit übertreffen wollen, nur um Anthalion
zu gefallen? War es ihnen gelungen? War er selbst als Hohepriester Iridiens in
Ungnade gefallen, weil er für einen sanften Tod plädiert hatte, abseits
der Öffentlichkeit? Sein Argument war erhört worden, doch leider
nicht zur Gänze. Er hatte betont, wie beliebt Balderia war. Eine
öffentliche Hinrichtung durch Folter ihrer Hohepriesterin Lilldaye
hätte den Frieden in der Stadt gefährdet. Mayendrik hatte an den
Verstand seiner Kollegen appelliert, nicht an ihr Mitleid, denn offensichtlich
hatten sie keines.
    Eine öffentliche Demütigung würde Lilldaye
dank seiner Intervention erspart bleiben und zum Glück auch die Folter.
Damit hatte Mayendrik schon einiges erreicht und er war versucht sich mit dem
Gedanken zu trösten, dass er nicht mehr hatte tun können, ohne seinen
eigenen Kopf zu riskieren.
    Trommelwirbel erklangen, als wollten sie seinem letzten
Gedanken augenblicklich widersprechen. Als daraufhin die Pforten des Tempels aufschlugen,
sah er sie: seine Lilldaye... Gardisten mussten sie stützen, so abgemagert
und schwach war sie. Ihr schönes Haar war geschnitten worden und Mayendrik
kämpfte gegen seine Tränen, denn zu gut wusste er, weshalb dem so
war. Ein Beil und ein Richtblock standen bereit und warteten darauf, von
Lilldayes Blut getränkt zu werden.
    Mayendrik wandte beschämt seinen Blick ab und traf
in der Menge den von Besira. Die Priesterin und Freundin Lilldayes versuchte
ihm ein Lächeln zu schenken, doch es gelang ihr nicht. Zu verweint war ihr
Gesicht, um ihr noch ein glaubhaftes Lächeln zu erlauben. Er wünschte
sich, die junge Frau, die hätte seine Enkelin sein können, in die
Arme zu nehmen, um sie zu trösten, doch sein Rang erlaubte es ihm nicht...
Zumindest nicht hier und nicht jetzt. Mayendrik seufzte tief, als er sich
erneut Lilldaye zuwandte. Diesmal würde er seinen Blick nicht wieder
abwenden. Um Lilldayes Willen, musste er den Anblick ertragen. Er wollte sie
nicht in ihrem letzten Gang verlassen, er würde sie zumindest mit seinem
Blick begleiten und bis zum Ende an ihrer Seite bleiben. Sie wurde auf die
Treppen zum Schafott gezerrt... Ihre Füße gehorchten ihr nicht mehr,
die beiden Gardisten trugen sie, während ihre Beine über die Kanten
der Treppe schliffen. Ihr Kopf hing herunter, als sei er bereits nicht mehr auf
ihren Schultern. Die Trommelwirbel verstummten.
    Ein Gardist trat vor und sprach zu der Menge. Mayendrik
vermutete, dass wohl nur die ersten Reihen ihn verstehen konnten, zu leise war
seine Stimme, als schäme er sich seiner Worte.
    „...Der Priester Anthalions wird nun das göttliche
Urteil sprechen.“, beendete der Gardist seine kurze Rede.
    ‚…und er wird es gerne tun’, dachte Mayendrik. Der neue
Hohepriester Anthalions war um nichts milder als sein Vorgänger. Zu
erpicht war er darauf, sich die Gunst seines Gottes zu bewahren.
    Der Hohepriester ging langsam die Treppen hinauf und
näherte sich Lilldaye. Er ergriff sie an den wenigen Haaren, die sie noch
hatte, zerrte ihren Kopf hoch, um der Menge ihr Gesicht zu zeigen. Die einstige
Schönheit Lilldayes war verblasst. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre
Haut hatte eine ungesunde Farbe angenommen. Ihre Augen wirkten dadurch
größer und als sie sie in einem kurzen luziden Augenblick aufschlug,
traf sie Mayendriks Blick. Sie sah seine Tränen und er wusste, dass sie
vermocht hatten, sie zu trösten. Dass in diesem Augenblick Mayendriks Herz
vor Pein zu zerspringen schien, war ihm nicht weiter wichtig. Er zählte
nicht mehr, nur noch Lilldaye war wichtig. Er erkannte jetzt, da es zu
spät schien, dass er trotz seines Alters von Balderia berührt worden
war. Er liebte Lilldaye… ob als Freund, als Mann oder einfach nur als Mensch
wusste er nicht, doch was machte das schon für einen Unterschied? Niemals
würde er sich von diesem schändlichen Anblick erholen können…
Anthalions Priester ergriff das Wort und ließ Lilldayes Kopf wieder auf
ihre Brust zurückfallen.
    „Das war einst Lilldaye! Wie ihr alle seht, hat Balderia
sie verlassen.“
    Mayendrik erschauderte. Erst jetzt verstand er, weshalb
sie wochenlang gewartet hatten, um die Hinrichtung anzusetzen. Im Gegensatz zum
Gardisten,

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