Die Quelle
schien nicht überlegen zu müssen, um
darauf eine Antwort zu finden.
„Wenn Anthalion die Gelegenheit fände, ihnen Geld
für euren Tod anzubieten, würden sie es annehmen.“
Esseldan schüttelte den Kopf. „Als sie zu uns
gekommen sind, wünschten sie sich die Macht unserer Magie. Seit sie unsere
Lebensweise gesehen haben, wünschen sie sich, eines Tages in Ker-Deijas das
Volk der Wächter mit dem Volk der Baseff zu vereinen. Das ist ihnen mehr
wert als materieller Reichtum.“
„Ihr würdet ein Volk von Mördern unter euch weilen
lassen?“ Sihldan wirkte entsetzt, doch Esseldan ließ sich von der
offensichtlichen Furcht des Nomadenanführers nicht irritieren.
„Die Vergangenheit zählt nicht, wenn man sich
dafür entscheidet sie abzulegen. Wir denken, dass unser Volk auch von den Baseff
lernen kann. Genauso würden wir uns freuen, wenn einige von euch sich mit
uns austauschen würden.“
„Nun… Ich habe von Städten jenseits von Gowiriali
gehört, die einst viele Völker in sich vereinten. Statt jedoch von
einander zu lernen, bekämpften sie sich und konkurrierten gegeneinander...
bis zum Tage ihres Unterganges. Wenn ihr viele Völker aufnehmen wollt,
solltet ihr langsam vorgehen und stets darauf achten, eure Sitten zu erhalten.
Sonst werdet ihr eines Tages feststellen, dass ihr eure Identität und die
Harmonie, die ihr so schätzt, verloren habt.“
„Vielleicht hast du Recht, vielleicht aber ist die Zeit
für uns gekommen, eine neue Identität zu finden.“
„Dann lass uns sehen, was eure Baseff zu bieten haben.
Ruf Krial zu uns.“
Zu dritt besprachen sie Krials Pläne und
schließlich musste auch Sihldan einsehen, welch ein gerissener Stratege der
Dieb und Mörder war. Am Ende des Abends hatten beide nicht nur Achtung
voreinander, sondern sie waren sich so weit näher gekommen, dass Sihldan
sein Vertrauen bewies, indem er zugab, froh darüber zu sein, Krial nicht
zu seinen Feinden zu zählen. Esseldan konnte sich glücklich
schätzen, solche Verbündete gefunden zu haben, dennoch war sein
Schlaf in dieser Nacht alles andere als ruhig. Noch immer fürchtete er,
der Schwachpunkt ihres Planes könne in der Unerfahrenheit seiner eigenen
Krieger liegen. Die entscheidende Schlacht am See der Quelle würde ohne
die beiden Baseff stattfinden. Er selbst würde der einzige Krieger mit
Kriegserfahrung sein. Auf ihm allein würde die telepathische Unsicherheit
von hundertfünfzig Kriegern lasten und er war sich nicht sicher, diese
ertragen zu können. Die längst vergangenen und verdrängten
Schlachten von Kaluwik belasteten seine Gedanken, doch diesmal konnte er nicht
Halt bei seinem Volk finden. Er musste seine Erinnerungen in sich verbergen,
wenn er die Ängste seiner Krieger nicht noch schüren wollte.
Kapitel 13
Als der Hohepriester der Gottes Iridien hatte Mayendrik
keine andere Wahl gehabt, als an diesem Verhängnisvollen Tag anwesend zu
sein.
‚Lilldaye ist eine von euch. Nun da ihr den Sachverhalt
kennt, ist es an euch, über sie zu richten.’
Mayendrik stand inmitten des großen Platzes vor
Balderias Tempel und dachte an diese Worte Anthalions zurück. Ihm
schauderte bei der Erinnerung an den längsten Nachmittag seines Lebens,
als er zusammen mit den anderen Hohepriestern Anthalias über Lilldaye
gerichtet hatte. Er sah um sich, auf die versammelte Menschenmenge. Es hatten
sich alle Priester, Novizen, Anwärter und Diener von Balderias Tempel
eingefunden. Viele von ihnen weinten und schämten sich offenbar nicht
ihrer Tränen. Wachen waren rings um den Platz postiert worden, einige von
ihnen sorgten dafür, dass niemand sich dem Schafott näherte, der
scheinbar seinen Unheil ankündigenden Schatten auf jeden der Anwesenden
warf. Die Hohepriester und einige Priester niedrigeren Ranges der anderen
Götter standen in unmittelbarer Nähe Mayendriks, doch das Volk war
fern gehalten worden. Zu beliebt war Lilldaye, um die Anwesenheit des
Pöbels zu riskieren.
Mayendrik sah zu seinen Kollegen, noch immer in seine
trüben Gedanken versunken. Ihn schauderte zu sehen, wie
selbstgefällig sie da in der ersten Reihe standen, nach allem was er aus
ihren Mündern gehört hatte. Anthalion hatte auf ihr Urteil gewartet,
ohne Vorschläge zu machen. Von sich aus hatten seine Kollegen die
grausamsten Urteile vorgeschlagen, die ein Mensch sich vorstellen konnte. Sie
hatten sich öffentliche Erniedrigungen und Folter aller Arten ausgedacht,
die allesamt Lilldaye getötet, doch auch zu tagelangen Qualen
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