Die Quelle
gut an die Verwüstungen
erinnern, die dem letzten Angriff dieser Art gefolgt waren. Diesmal war Leathan
nicht da, um zu Hilfe zu eilen. Er musste auf die Regentin vertrauen und seine
eigene Aufgabe erfüllen. Er sah zu Lissiek an seiner Seite, und bemerkte,
dass auch er sich von dem schauderlichen Anblick ablenken ließ. Die
Schlucht hatte er völlig außer Acht gelassen.
„Nur Mehana kann gegen die Götter kämpfen,
falls dies erforderlich werden sollte. Wir sollten uns weiter auf unsere
Aufgabe hier konzentrieren.“
Der Krieger Sulidians musterte erstaunt Ruvin.
„Kann diese Frau sich wirklich mit den Göttern
messen?“
Ruvin nickte zuversichtlich und versuchte das Grollen der
Donner im Himmel zu ignorieren. Lissiek schien ihm glauben zu wollen, doch
Ruvin fragte sich selbst, ob er gerade gelogen hatte. Er wünschte sich,
Leathan wäre hier, um den Kampf gegen die Götter aufzunehmen. Der
Nomade fasste sich an seinen Hals und offenbarte das Symbol Kegalsiks, seinem
Gott.
„Wem gilt der Groll der Götter? Denjenigen, die
Kinder ermorden wollen, oder uns, die versuchen sie zu beschützen?“
Was konnte Ruvin darauf antworten? Er kannte inzwischen
einige Nomaden aus Sihldans Clan und wusste um ihre Gottesfurcht.
„Wir werden es bald erfahren.“
Ein Blick in die Schlucht und Ruvin wusste, der
Augenblick war gekommen, ihren Plan auf die Probe zu stellen. Anthalions Armee
rückte heran. Ruvin musterte den Felsbrocken, der sich nur wenig tiefer
unter ihnen befand. Es war so weit… Er rief die Macht der Quelle in sich,
ließ die Klänge in sich erwachsen, bis sie ihn erfüllten… Eine
Energiewelle brach aus seine Gedanken heraus und prallte gegen den Felsen. Wie
durch die Hand eines Giganten angestoßen, stürzte der Felsbrocken
herab in die Tiefe und löste dabei eine Steinlawine aus, so gewaltig, dass
sie den Boden erschütterte. Die anderen Krieger seines Volkes hatten es
Ruvin gleich getan und bald schon war die Armee Anthalions wie geplant zwischen
Felsmassen gefangen. Ruvin löste sich aus seiner Trance. Er sah zu den Soldaten,
die panisch versuchten einen Ausweg zu finden, während ihre Anführer
die Felswände nach den Feinden absuchten, die sie dort vermuteten. Einige
Priester hatten sich betend zu Boden geworfen, ob wegen der drohenden Gefahr
des Himmels oder wegen der herabgestürzten Felsen vermochte Ruvin nicht
einzuschätzen. Es spielte ohnehin keine Rolle. Wichtig war nur, dass sie
ein leichtes Ziel abgaben. Sein Blick galt nun Lissiek. Der Nomade hatte trotz
der beeindruckenden Szenerie seine eigene Aufgabe nicht vergessen. Er wirkte
konzentriert, sein Bogen war gespannt, sein Pfeil abschussbereit, doch er war
in dieser Position verharrt. Er wartete. Ruvin sah wieder auf die eingekesselte
Armee herunter. Einer nach dem anderen knieten die Priester nieder… Darauf also
wartete der Nomade! Er wollte sie alle enttarnen… Ruvin rief erneut Macht in
sich auf, ahnend, dass bald schon einige der Priester selbst die Klänge
der Quelle in sich spüren würden und sie wohl auch zu nutzen
wussten.
Leise konnte er hören, wie die Priester eine Litanei
anstimmten und erste Klänge der Macht sie dabei begleitete… Ruvin
erschauderte. So nah waren ihre Götter! Wie viel Macht würden sie
fähig sein, ihren Priestern zu gewähren? Das Surren eines Pfeils riss
Ruvin aus seinen Beobachtungen. Lissiek hatte bereits seinen zweiten Pfeil
abgeschossen, ehe Ruvin sich darüber bewusst wurde, dass es auch für
ihn an der Zeit war, wieder zu handeln. Er griff nach seinem Bogen, wollte
einen Pfeil hineinspannen, als Lissiek ihm im Befehlston zurief.
„Die Felsen, Hexer! überlass uns die Pfeile!“
Ruvin gehorchte. Er schloss die Augen, um sich besser
konzentrieren zu können und rief erneut Macht in sich auf. Seine Gedanken
ließ er sanft in die Schlucht herunter gleiten. Er spürte, wie seine
Krieger es ihm gleich taten… Er spürte, wie sie gemeinsam die Felsbrocken
erfassten, und ihre Macht sich gegen die der Priester stellte, die bereits
einige der Felsen dazu gebracht hatten, den Weg wieder frei zu geben.
*
Nie wäre es Sulidian in den Sinn gekommen, dass
Leathan damals in Anthalia nur einen Bruchteil seiner Macht gezeigt hatte. Was
er jetzt zu Gesicht bekam, war weniger spektakulär, doch Sulidian ahnte,
wie gewaltig die Macht war, die Mehana gerade entfaltete. Seit der Himmel die
Nähe der Götter offenbart hatte, hatte sie sich kaum noch bewegt. Ab
und zu zuckte ihr Körper, nur um im nächsten
Weitere Kostenlose Bücher