Die Quelle
sie sich freiwillig
ihren Gegnern aus… Sie warteten offensichtlich auf seine Befehle, doch er
schien sich allein der hohen Felswand widmen zu wollen. Mehana zog es vor, in
seinen Gedanken zu suchen, ehe sie mit ihrem Plan fortfuhr.
Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Kaum
hatte sie etwas Macht aufgerufen, um die Gedanken des Nicht-Telepathen zu
erfassen, wusste sie, sie hatte es mit einem außergewöhnlichen
Menschen zu tun. Er bemühte sich, einige Sätze in den Vordergrund
seiner Gedanken zu rücken, um seine Botschaft jedem noch so unbegabten
Telepathen verständlich zu vermitteln. Gleichzeitig hatte er die meisten
anderen Gedanken, die sie hätte in ihm finden müssen, weit in sich
hinein verdrängt. Mehana wusste, die wenigen Priester, die es schafften,
die Energie der Quelle für Telepathie zu verwenden, hätten in den
Gedanken dieses Mannes, nichts entdecken können, außer die Informationen,
die er tatsächlich mitteilen wollte.
‚Mein Name ist Sulidian. Ich weiß, ihr werdet
versuchen, meine Gedanken zu lesen. Ich möchte mit euch verhandeln.’
Mehana kannte diesen Namen. Sulidian war der
Nomadenanführer, von dem Leathan hatte Ethira und Krial berichten lassen.
Sie blieb zwar sicher hinter dem Felsen versteckt, doch gleichzeitig nahm sie
telepathischen Kontakt zu ihm auf und drang dabei tiefer in seine Gedankenwelt
ein, um zu entdecken, was genau er wollte. Sie fand rasch, wonach sie gesucht
hatte.
‚Sulidian, Anführer deines Clans, mein Name ist
Mehana, Regentin vom Volk der Wächter… Wie ich in dir sehe, möchtest
du nicht länger an der Seite von Anthalions Armee kämpfen… Wie ich
sehe, möchtest du unsere Kinder und unsere Frauen nicht töten… Du
kennst Leathan, du schätzt ihn… Ich glaube, wir können deinem Wort
vertrauen. Ich könnte noch viel mehr in dir lesen, doch werde ich es von
nun an nicht mehr ohne deine Erlaubnis tun… Ich komme zu dir.’
Noch während sie seine Gedanken gelesen und zu ihm
gesprochen hatte, war sie aus ihrem Versteckt getreten und hatte sich ihm
gezeigt. Er hatte zu ihr hinauf gesehen und war dabei reglos auf sein Pferd
sitzen geblieben. Natürlich war es Sulidian unangenehm gewesen zu
erfahren, wie viel sie in ihm hatte lesen können, doch er hatte es
erwartet und akzeptiert. Sie hatte ihm bewiesen, wozu sie fähig war und er
hatte verstanden, weshalb sie es getan hatte. Ihm ihre Macht zu beweisen,
würde es ihr erlauben, ihm als Gleichgestellte zu begegnen. Nur kurz hatte
Mehana die tieferen Gedanken Sulidians betrachtet, um seine Ehrlichkeit zu
ergründen, doch rasch hatte sie sich erschrocken zurückgezogen.
Sulidian war geplagt von altem Leid, das sie nicht hatte ergründen wollen.
Daraus schöpfte er offensichtlich seine Willenskraft und seine
Standhaftigkeit. Gleichzeitig strahlte er Besonnenheit aus, wie sie in einem
Krieger nie vermutet hätte. Sulidians Geist gebot Respekt, wie kaum ein
anderer.
Während sie sich bemühte rasch den steilen Weg
entlang der Felswand herunterzuklettern, den sie und ihre Krieger vor Monaten
erschaffen hatte, versuchte sie die neue Lage zu erfassen. Weshalb nur, hatte
sie nicht vorausgesehen, dass sie die Chance auf neue Verbündete erhalten
würden? Einmal mehr musste sie an Krial denken. Er hatte Recht gehabt, als
er versucht hatte, ihr klar zu machen, wie unvollständig und daher nutzlos
ihre Visionen sein konnten. Eine beunruhigende Feststellung…
Kaum hatte Mehana Fuß auf den Boden der Schlucht
gesetzt, stieg Sulidian von seinem Pferd ab, übergab die Zügel einem
seiner Krieger und kam ihr entgegen. Seine stolze und zugleich ruhige
Körperhaltung bestätigte, was sie zuvor in seinen Geist entdeckt
hatte. Die natürliche Autorität, die er darüber hinaus
ausstrahlte, erklärte die bedingungslose Loyalität, die Mehana in
fast jedem seiner Krieger erspüren konnte.
Sie war plötzlich froh darüber, in den letzten
Monaten ein anstrengendes Leben in den Bergen geführt zu haben, denn als
sie ihm gegenüber stand, war sie von ihrer Kletterpartie kaum außer
Atem und so konnte sie als erste das Wort ergreifen. Sie wusste, es würde
es ihr erleichtern, ihre Autorität als Regentin zu wahren und
zusätzlich die langen Vorgespräche, die bei den Nomaden Sitte waren,
zu vermeiden.
„Ich hoffe, du wirst deine Entscheidung nicht bereuen,
Sulidian. Eure Hilfe stärkt uns zwar, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob
wir siegen können.“
Sulidian schenkte ihr ein respektvolles Lächeln.
„In einem Krieg ist
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