Die Quelle
zur
Flucht aufspringen können. Zwei Männer eilten bis zur Lichtung, stets
darauf achtend, hinter den Bäumen versteckt zu bleiben. Sie berichteten in
Zeichensprache, was sie sahen. Mehana verzichtete darauf, durch Magie einen
genaueren Überblick zu bekommen, denn sie wusste, dass die Armee in
Begleitung von Priestern war, die ihren magischen Einsatz hätten eventuell
spüren können. Sie vertraute auf das, was die Männer sahen und
war einmal mehr dankbar für die unerwartete Unterstützung Sulidians.
Kurz darauf erfuhr sie, was sie wissen musste. Auf den
Außenmauern der Stadt patrouillierten Wachen Anthalias. Einige trugen die
schwarzen Gewänder der Gardisten, einige die roten der regulären
Armee. Sulidian sprach leise zu Mehana.
„Wo verstecken sich deine Hex… Ratsmitglieder?“
Mehana ging nicht einmal gedanklich auf Sulidians
Versprecher ein. Sie wusste, dass er das Wort Hexer nicht als Beschimpfung
hatte verwenden wollen.
„Ich muss nur nah genug sein, ich brauche meine Leute
nicht zu finden. Sobald ich mit der Zerstörung der Stadt beginne, werden
sie meine Macht spüren und ihren Teil der Aufgabe erfüllen. Am besten
wäre es, wenn wir auf der Mauer stehen könnten, damit ich sehen kann,
wie unsere Zerstörungskräfte wirken und wo ich sie verstärken
muss.“
„Auf der Mauer ist mehr als nur nah. Lass mich kurz
überlegen, ich möchte kein Suizidkommando befehligen.“
Mehana hatte zwar plötzlich einen Einfall, doch sie
wusste, dass Sulidian niemals mit diesem Risiko einverstanden gewesen
wäre. So lief sie ihrer Idee folgend bereits los, als sie ihm telepathisch
ihren Plan mitteilte. Er war riskant und Sulidian ärgerte sich sicherlich
darüber, dass sie ihn damit überrumpelt hatte.
‚Eine Regentin sollte ihr Leben nicht aufs Spiel
setzten!’, nahm sie seinen gedanklichen Vorwurf zur Kenntnis, gleichzeitig
erfuhr sie jedoch erleichtert, er würde ihrem Plan folgen.
Mehana rannte auf offenem Feld in Richtung der
Stadtmauer. Die Wachen richteten ihre Bögen auf sie, doch wie sie wusste,
war sie noch nicht in Reichweite. Sulidian und drei seiner Männer rannten
ihr nach, einer von ihnen schoss ihr sogar einen Pfeil vor die Füße.
Wie ihr Plan vorsah, blieb sie stehen und spielte vor, erschrocken zu sein. Als
Sulidian sich ihr näherte und ihr zum Schein demonstrativ die Hände
auf den Rücken fesselte, knurrte er vor sich hin.
„So viel Risiko! Was ist, wenn sie es uns nicht
abkaufen?“
Mehana sah sich zu Sulidian um. Er wirkte verärgert,
dennoch erkannte sie auch Bewunderung in seinem Blick.
„Warum sollten sie an dir zweifeln? Führ mich ab,
vertrau mir.“
Sieben Krieger Sulidians blieben mit den Pferden im Wald
versteckt, während Mehana als vermeintliche Gefangene in ihre eigene Stadt
geführt wurde. Kurz vor dem Tor blieb Sulidian stehen.
„Ich habe die Regentin von Ker-Deijas verfolgt und bringe
sie nun als Gefangene. Öffnet das Tor!“
Von der Mauer herab hallte die verächtliche Stimme
eines Gardisten.
„Warum tötest du sie nicht? Hast du die Befehle
Anthalions nicht verstanden, Nomade?“
„Ich bin Sulidian, Anführer meines eigenen Clans und
Sieger des diesjährigen Turniers! Wer bist du, dass du es wagst, in diesem
Ton mit mir zu sprechen?“
Stolz hatte Sulidian geklungen und provozierend waren seine
Worte. Mehana fühlte sich in eine Welt geraten, die ihr völlig fremd
war. Eine Welt des Scheins und der Macht, eine Welt, in dem jeder nur eine
Rolle zu spielen schien und sich hinter einer Maske versteckte, um sein Gegenüber
in die Enge zu treiben... War dies die Welt, der ihr König Leathan ihnen
befohlen hatte, sich zu öffnen?
Es kam keine Antwort mehr von der Mauer, doch das schwere
Tor wurde geöffnet und Mehana begann sich zu konzentrieren, um die Macht
der Quelle in sich zu rufen.
*
Nun da sie sich von Sulidian getrennt hatten, war es
Drassil, der wie so oft zuvor, die Männer anführte. Sie vertrauten
ihm, der sie unter Sulidians Befehlen in vielen Schlachten begleitet hatte und
zu vielen Siegen verholfen hatte. Nur wenige Niederlagen hatten sie gegen
Anthalions Armee erlitten, ehe sie sich schließlich hatten unterwerfen
müssen. Der bevorstehende Kampf würde auf fremdem Gebiet stattfinden,
gegen ihren einstigen Feind, gegen ihren einstigen Verbündeten… Drassil
konnte nur hoffen, dass seine Männer anders als er selbst nicht ihre
Gedanken an ihre Vergangenheit verschwendeten.
Er hatte zwei seiner Männer mit den Pferden im Wald
gelassen und
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