Die Quelle
werde Drassil informieren.“
Ruvin sah wie Lissiek zu seinem Anführer ging. Beide
unterhielten sich einen Augenblick lang und Ruvin versuchte, sich
währenddessen seine Unruhe nicht anmerken zu lassen. Ein Blick zu
Anthalions Soldaten, die die Gefangenen flankierten, verriet ihm, dass sie alle
ohnehin zu sehr mit dem beschwerlichen Weg beschäftigt waren, um auf ihn
zu achten. Drassil näherte sich Ruvin und wie der Nomade es anscheinend
erhofft hatte, wurde ihm die Entscheidung abgenommen, denn Ruvin erhielt klare
Anweisungen von Mehana. Sulidian und sie hatten einen Plan.
Drassil spürte, wie sein Blut sich erwärmte und
das vertraute Gefühl des Adrenalinausstoßes ihn auf den
bevorstehenden Kampf vorbereitete. Mit Hilfe der telepathischen Fähigkeit
der Gefangenen konnte er rasch seine Befehle an seine Krieger weiter geben,
ohne Aufsehen zu erwecken. Sulidians Krieger waren bereit. Das Volk der
Wächter war bereit.
Drassil beobachtete Histalien, der der endlos wirkenden
Menschengruppe voranging. Seine Soldaten flankierten die Gefangenen,
unterstützt von Drassils Kriegern. Fern war noch Ker-Deijas, doch ihre
Umrisse zeichneten sich bereits am düsteren Horizont ab, als lade sie ihr
Volk ein, in sie zu zurückzukehren, um zu sterben. Von Ruvin wusste
Drassil, sie würden die Stadt bald wieder aus den Augen verlieren,
zwischen zwei Bergen ein Flussbett durchqueren und dann die Bergflanke
erreichen, an die sich die Stadt lehnte. Er musste jetzt handeln. Raschen
Schrittes ging Drassil nach vorn bis an Histaliens Seite. Der ehemalige Nomade
schien erleichtert, ihn zu sehen und brach die Stille, als habe er die ganze
Zeit über sehnsüchtig darauf gewartet, endlich mit jemandem sprechen
zu können.
„Sie sind unheimlich nicht wahr?“ Drassil versuchte zu
verstehen, was Histalien gemeint hatte, doch er brauchte nicht länger
nachdenken, denn Histalien sprach weiter, als brauche er es, den Klang seiner
eigenen Stimme zu hören. „So still… Nicht einmal die Kinder sprechen oder
weinen. Ich dachte zuerst, sie seien nur Menschen, aber jetzt bin ich mir nicht
mehr so sicher. Ich kann es kaum erwarten, sie abzuliefern.“
Er blickte über seine Schulter, als wolle er den
Grund für sein Unbehagen noch einmal verdeutlichen. Drassil konnte verstehen,
was Histalien meinte. Hätte er nicht selbst von Ruvin erfahren, wie sie
sich alle telepathisch verbunden hatten, um sich gegenseitig zu trösten,
hätte er das Verhalten des Volkes der Wächter ebenso wenig
verstanden.
„Die Kinder suchen nicht einmal die Nähe ihrer
Mütter... Sie scheinen eher Trost bei diesem alten Mann zu finden…“,
bemühte sich Drassil, Histalien zuzustimmen und beobachtete gleichzeitig
die Gruppe der Kinder, die sich um den alten Mann namens Sulimar
zusammengeschart hatten. Ein zweijähriges Mädchen wurde von Sulimar
getragen. Ab und zu ruhte der alte Mann seine Arme aus und übergab die
Kleine einer der zwei jüngeren Frauen, die ihn begleiteten. Alle Kinder
waren um dieses Erwachsenentrio versammelt, still und gehorsam, ihre Blicke nach
vorne auf die ferne Silhouette ihrer Stadt gerichtet.
Der unheimliche, düstere Himmel und der scheinbar zu
Rauch gewordene Wind, der durch die Landschaft peitschte, verstärkte noch
diese bedrückende Atmosphäre.
Drassil und Histalien beobachteten gemeinsam den stummen
Zug der Gefangenen und schließlich brachte Drassil seine Gedanken zum
Ausdruck, einem leichten Kopfnicken Ruvins gehorchend.
„Histalien, wir sollten eine Rast einlegen. Wegen der
Kinder… Es sind auch Verletzte und alte Leute unter ihnen. Ich habe vorhin
nachgefragt, der Weg wird gleich noch beschwerlicher werden.“
Histalien blickte missmutig auf die Gefangenen.
„Sie wirken aber nicht so, als würden sie eine Rast
benötigen… Nicht einmal die Kinder wirken so.“
Er sprach fast mit Abscheu, geschürt wurde seine
Abneigung vermutlich von Furcht.
„Ich weiß, aber nur weil sie innerhalb ihres Volkes
Disziplin erlernen müssen, heißt das nicht, dass ihre Kinder mehr
Ausdauer haben, oder weniger leiden als die unseren...“
Drassil fuhr fort, deutete dabei auf Ruvin, der sich
vermutlich absichtlich an den Rand der unüberschaubaren Gruppe gestellt
hatte, um Histalien auffallen zu können.
„...Mit geht es allerdings vorrangig um den da. Er
dürfte ihr Anführer sein. Wenn die Soldaten in der Stadt die Gefangenen
sehen wollen, dann vielleicht, um sie zu befragen… Dann wäre es wohl auch
besser, einen Anführer dabei
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