Die Quelle
lang ersehnte Antwort offenbaren. Die
blauen Schwerter… Sie wusste jetzt, was sie tun musste, doch sie hatte Angst zu
versagen. Hatte Anthalion auch daran gedacht? Wusste er bereits, was sie vor
hatte? Hatte er schon einen Gegenplan entwickelt?
Sie schloss die Augen und wieder sehnte sie sich nach der
Ruhe der Ewigkeit des Universums. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht,
in die materielle Welt das Leid der Sterblichen zu teilen? Das leise Rascheln
eines Gewandes verriet ihr, dass sie nicht mehr alleine war. König Leathan
setzte sich an ihre Seite und legte sanft seinen Arm um ihre Schultern.
„Esseldan geht es ein wenig besser. Vielleicht
können wir ihn noch retten. Verzeih mir mein Verhalten. Vielleicht haben
die Jahrhunderte nur einen alten bornierten Mann aus mir gemacht, statt mir Weisheit
zu schenken.“
Stella versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr
nicht. Sie blieb still. Es gab keine Worte, um ihre wirren Gedanken
auszudrücken.
„Komm mit. Du musst dich endlich ausruhen.“, sagte der
König und stand auf, ohne auf eine Antwort zu warten. Er streckte eine
Hand nach ihr aus, um ihr beim Aufstehen zu helfen, doch sie folgte ihm nicht. Seine
Einladung klang verlockend und sie brauchte es, sich auszuruhen, doch es gab
noch so viel zu tun. So viel…
*
Monate waren vergangen, seit sie auf dieser Plattform
neben dem König geschlafen hatte. Damals hatte sie noch nicht gewusst, wer
sie in Wirklichkeit war und ihre Seele war noch nicht von Anthalion gepeinigt
worden. Sie wünschte sich an diesen Tag zurück… Sie war
erschöpft, doch ahnte sie, dass Schlaf nicht das war, was ihr in
Wirklichkeit fehlte.
Endlich war sie zu ihm gekommen, endlich gönnte sie
sich den Schlaf, den sie so dringend benötigte. Der König konnte auf
dem Antlitz Stellas nur einen Teil ihrer Qualen erkennen… Er fühlte sich
schuldig, hatte er sie doch allein gelassen. Wie hatte er nur vergessen
können, dass sie erst vor wenigen Stunden der Folter und dem Wahn
entkommen war? Sie hatte den letzten Funken der Macht aus dem See genutzt, um
ihren gepeinigten Körper in die Gestalt von Stella zu verwandeln und sich
auf diese Weise vor dem Tod zu retten. Sekunden später schon, war sie in
die Schlacht gegen Anthalion und die Götter gezogen. Er hatte nur das Kind
der Quelle in ihr gesehen und ihr unendliche Macht unterstellt. Dabei hatte er
vergessen, dass sie aus Liebe zu ihm darauf verzichtet hatte. Die
Menschlichkeit in ihr kannte er noch nicht gut genug und er vermochte nur
schwer einzuschätzen, welchen Schaden Anthalions Folter ihrem Geist
zugefügt hatte. Die Heilung ihres Körpers war vollzogen, doch was
spielte sich jetzt in ihrem Geist ab?
Seine Gedanken blieben bei Anthalion. Er verstand nicht,
wie ein Wesen, das fähig war, Schmerz zu empfinden, jemand anderem so viel
Leid zufügen konnte. Sicher war Anthalions Seele nur die eines Gottes,
doch in dieser Welt war er auch ein materielles Wesen, ein Mensch fähig
Leid nachzuvollziehen. Stella hatte sich zu ihm gelegt und während er sie
sanft in seinen Armen hielt, versuchte er ihre Gedanken zu ertasten, auf der
Suche nach einem Weg, den Qualen ihres geschändeten Geistes etwas
Linderung zu verschaffen. Doch obwohl Stellas warmer Körper sich gegen den
seinen schmiegte, entzog sich ihm ihr Geist.
Er blieb wach... Er musste für sie da sein, sobald
sie ihn brauchen würde. Ihr Atem war regelmäßig, vermutlich
schlief sie… Er zog sie etwas fester an sich heran und schloss die Augen… Er
horchte in die Nacht hinein, hörte zum ersten Mal seit Jahrhunderten die
Geräusche der Nachttiere, die Geräusche der Menschen in seiner
unmittelbaren Nähe… Er war nicht länger allein, er war wieder Teil
dieser Welt geworden, er war wieder König seines Volkes… So überwältigend
war dieses Gefühl, dass er lächeln musste und zugleich Tränen in
seine Augen schossen. Er erfuhr inmitten eines Krieges, was es hieß,
glücklich zu sein.
Kapitel 27
Die tosenden Wassermassen waren verstummt. Ethira war
wach. Sie betrachtete ihr Baby, das an ihrer Brust eingeschlafen war. Krial
beobachtete sie beide. Er hatte Ethira schon immer bewundert und bei allem, was
sie tat, hatte sie das Gefühl der Liebe in ihm stets verstärkt. Er
liebte es sogar, sie beim Töten zu beobachten. Doch hier, wo er in dem
dunklen Raum kaum mehr als einen Schatten seiner Frau sehen konnte, hatte er
etwas auf Ethiras Gesicht entdeckt, das er noch nie zuvor gesehen hatte.
Friede.
Als sie zu ihm hochsah
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