Die Quelle
die sie in dieser Welt
erspüren würden. Zu ihrer gemeinsamen, ruhigen Wahrnehmung gesellte
sich plötzlich ein weiterer Geist. Ruvins Geist erkannte ihn augenblicklich.
Loodera war an ihrer Seite, in dieser Zwischenwelt, in der sich nur die Toten
aufhielten, ehe sie weiter zogen.
Doch statt der sanften, ruhigen Loodera, die Ruvin seit
Jahren vergeblich versucht hatte, nicht zu lieben, entdeckte er einen
verletzten Geist, der noch nicht bereit war, die Welt zu verlassen. Schlagartig
erwachten auch in Ruvin die Erinnerungen seiner Versäumnisse und Looderas
Trauer vereinte sich mit der seinigen.
Sulimar spürte die Nähe seiner beiden Kinder
und im Angesicht ihrer Verzweiflung nahm er zum letzten Mal seine Vaterrolle
an. Sein Geist sandte die Wärme des Trostes, ehe er sich im Schoß
der Quelle auf die Suche nach einem eigenen Pfad machte, nach einem Leben, das
er nur für sich selbst leben würde.
*
Sulidian und die Handvoll Krieger, die ihren kleinen
Aufklärungstrupp begleiten sollten, standen bereit zur Abreise in den
Stallungen von Ker-Deijas. Es war seltsam gewesen festzustellen, dass dieses
Gebäude nicht überflutet worden war, für einen Zufall hielt er
es nicht. So weit er es einschätzen konnte, war nichts von dem was Tarik
geplant hatte, dem Zufall überlassen worden. Er empfand tiefen Respekt
für diesen Regenten, der Jahrhunderte zuvor einen Plan zu ihrer Rettung
entworfen hatte. Als Mehana die Stallungen betrat, musste sich Sulidian
eingestehen, dass er auch für sie denselben Respekt empfand. Wenn alle
Regenten von Ker-Deijas eine solche Ausstrahlung gehabt hatten, dann
hätten sie die Welt beherrschen können, wenn sie es nur gewollt
hätten… Doch dann hätten sie vermutlich auch diese Ausstrahlung
verloren, ermahnte Sulidian sich selbst zu Vernunft.
Sulidians Krieger führten die Pferde heraus, ehe sie
aufstiegen und auf seinen Zeichen losritten. Er hatte vor, ohne Pausen bis zum
See zu reiten, um schon am Abend des folgenden Tages anzukommen. Sie hatten
für jeden Reiter zwei Ersatzpferde mitgenommen, doch sowohl Tiere als auch
Menschen würden an den Rand der Erschöpfung getrieben werden.
Sulidian fragte sich, ob die Regentin in der Lage war mit ihnen mitzuhalten, die
fast ihr gesamtes Leben zu Pferd verbrachten, doch zu groß war sein
Respek, um diese Frage offen zu stellen. Die Entscheidungsgewalt über
Ker-Deijas hatte Mehana in die Hände von Drassil, Krial und Ramiel, einem
Mitglied des Rates von Ker-Deijas, gelegt. Mit dieser Entscheidung allen dreien
Völkern gleichberecht eine Stimme zu geben, hatte Mehana verkündet,
den ersten Schritt zu einer neuen Ära setzen zu wollen.
Mehana versuchte trotz der sternenlosen Nacht ihr Pferd
umsichtig um die Trümmerhaufen zu lenken, die den Ausgang der Stadt fast
versperrten. Einmal mehr erschauderte sie, während sie daran dachte, wie
viele Menschen heute gestorben waren, einige der Leichen lagen vermutlich unter
den Trümmerhaufen, die sie gerade passierte. Vierhundert Menschen waren in
der Schlucht lebendig begraben worden, einige weitere Hundert waren in
Ker-Deijas ertrunken, verschüttet oder erschlagen worden… Weitere
vierhundert Menschen ihres eigenen Volkes waren in den Bergen abgeschlachtet
worden… Sie hatte alle von ihnen gekannt, einige sogar gut… Würden all
diese Seelen rasch einen neuen Pfad finden, oder würden sie von den
gewaltsamen Todesarten, die sie hatten erleiden müssen, in ihrer
Entwicklung behindert werden?
Sie hatten das Gelände der Stadt verlassen. Dunkel
erstreckte sich die weite Prärie vor ihr und ihre Gedanken lösten
sich auf, als Sulidian sein Pferd in vollem Galopp vorantrieb. Mehana
ließ die Zügel locker, verlagerte ihr Gewicht nach vorne und ihr
Pferd setzte im Galopp seinen Weg fort. Sie musste ihre ganze Aufmerksamkeit
ihrem Pferd schenken, denn sie war noch nicht daran gewöhnt, mit Zaumzeug
und Sattel zu reiten. Sie blickte auf die kräftigen Krieger, die sie
begleiteten und hoffte, dass sich in Ermangelung der Unterstützung der
Energie der Quelle nicht die Schwäche ihres Alters bemerkbar machen
würde. Sie hatten einen anstrengenden Ritt vor sich und sie musste
durchhalten.
Kapitel 28
Schlaf bot Stella keine Erholung. In den Tiefen ihrer
Albträume drohte ihr Geist in die Irrwege ihrer schmerzvollen Erinnerungen
zu stürzen. Sie zwang sich aus der Traumwelt hinaus und wurde wach. Einige
Augenblicke lang genoss sie es, einfach nur neben König Leathan zu liegen
und seinen leichten,
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