Die Quelle
betrachtet wurden, so wie es bei manchen Tieren auch der Fall war.
Gleichzeitig schockierte sie der Gedanke, dass Serfaj
ihre Gedanken lesen konnte und das war vorrangig, sie musste sie eilig
versperren und dabei hoffen, dass er nicht mehr gelesen hatte, als er ihr
bereits verraten hatte…
„Woher weißt du das? Und seit wann kannst du
Gedanken lesen?“
Ein Lisa-typischer frecher Gesichtsausdruck zeichnete
sich auf Serfaj ab.
„Ich will erst einen Namen und ein Frühstück“!
Falls sie sich in einem Traum befand, so hoffte Lisa,
nicht allzu bald aufzuwachen. Tatsächlich machte ihr die Situation
allmählich mehr Spaß als Angst.
*
Nur die Köchin war anwesend, die Serfaj verdutzt
musterte, während Loodera Brot und Honig an der Theke besorgte. Es war
allen bekannt, dass ein Wesen aus einer fremden Welt nun diesen Körper bewohnte
und die Köchin war sicherlich erstaunt, ihn hier so früh zu sehen,
während sich die meisten noch mit der Frage quälten, ob er
überhaupt mit Verstand erwachen würde.
Am liebsten hätte Loodera Serfaj unsichtbar gemacht,
solche Blicke waren sicher nicht gut für ihn.
„Lass uns in den Garten auf dem Dach gehen, von da aus
gibt es einen guten Ausblick über die Stadt.“
Die weißen Dächer, die Gärten, die
Wasserfälle… Als Loodera bemerkte, wie fasziniert Serfaj die Stadt
betrachtete, war sie sich sicher, richtig entschieden zu haben, ihn hierher zu
führen. Sie wählte eine Bank im Schatten eines blühenden Baumes
und setzte sich. Als Serfaj gierig zu essen begann, beobachtete Loodera die
wenigen Menschen um sie herum. Es waren nur wenige Bewohner der Stadt auf dem
Dachgarten, doch allesamt musterten sie neugierig, was sie dazu veranlasste,
ihre Gedanken zu verschleiern. Obwohl sie nicht gut darin war, hoffte sie, die
Neugierigen würden ihren Wunsch respektieren, vorerst Serfaj und sie
selbst nicht mit ihrer Anwesenheit zu belästigen. Sie spürte, wie die
ersten telepathischen Kontakte sich rücksichtsvoll zurückzogen und sie
wagte es daher einen Teil ihrer Gedanken wieder frei zu lassen, während
sie Serfaj ansprach.
Lisa war von dieser Art der Kommunikation fasziniert.
Worte wurden von Bildern und persönlichen Eindrücken begleitet,
wodurch sie an Präzision und Vollständigkeit gewannen. Als sie in
ihrer Ursprungswelt die Gedanken ihrer Mutter, Großmutter und auch die
ihres Vaters durchforstet hatte, war es ihr wie ein Diebstahl vorgekommen. Hier
jedoch schien es selbstverständlich zu sein und sie nahm es dankbar an.
Sie zögerte nicht länger in die Gedanken Looderas zu treten, als sie
sie ansprach.
Sie erfuhr dadurch, dass Loodera versucht hatte, mit
Mehana telepathisch Kontakt aufzunehmen, doch die Regentin hatte sich die Zeit
nicht genommen, zu antworten, was wohl sehr ungewöhnlich war.
„Ich denke, dann kann ich dir einen Namen aussuchen. Ich
schlage ‚Leathan’ vor, wenn du damit einverstanden bist.“
Leathan war der Name ihres Königs. Dieser war nie
wieder vergeben worden, nachdem der König verflucht worden war, so
zumindest war es in Serfajs Erinnerungen zu finden. Leathan… Der König,
der den Fluch der Unsterblichkeit einsam ertragen musste…
Der Fluch besagte, dass keiner, der in dieser Welt
geboren wurde, ihn jemals zu sehen bekommen würde oder seine Gedanken mit
ihm austauschen konnte. Er war in den Wald der Quelle verbannt worden. Ein Wald
so alt, so lebendig… Ein Wald, der den See aus Lisas Träumen in sich barg.
Lisas Geist war von ihrem Körper und ihrem Leben
weggerufen worden, da das Volk der Wächter hoffte, durch sie, die nicht
hier geboren worden war, Kontakt mit König Leathan aufnehmen zu
können. Bei der drohenden Gefahr, der sie entgegen blickten, brauchten sie
seinen Rat und seine Befehle.
Leathan…
Viele Fragen waren plötzlich beantwortet, doch nicht
von Loodera, sondern von Serfajs Erinnerungen…
Lisa konzentrierte sich für einen Augenblick,
versuchte sich selbst als Leathan zu betrachten, sich als Leathan zu
fühlen… Langsam schien diese Rolle zu passen.
„Da ich sein Sprachrohr sein soll, ist es vielleicht eine
gute Idee, seinen Namen zu tragen… Aber ich schätze, dass es einige als
Blasphemie empfinden werden, wenn ich den Namen von eurem König trage.“
Loodera wurde plötzlich ungewöhnlich ernst.
Eine Spur von Zorn zeichnete sich auf ihr sanftes Antlitz.
„Die Menschen, die unser Volk und unsere Lebensweise
zerstören wollen, sind die, die Götter anbeten. Dass viele von uns
nun
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