Die Quelle
unseren König so sehr verehren, dass sie ihn fast als gottgleich
betrachten und seinen Namen fast heilig sprechen, scheint mir sehr
gefährlich zu sein. Indem wir dir seinen Namen geben, können wir
vielleicht dem Spuk ein Ende setzen.“
Der frisch benannte Leathan überlegte für einige
Augenblicke. Es fühlte sich sowohl falsch als auch richtig an.
Loodera hatte ihr Volk und einen Teil seiner Anschauung
kritisiert. Das war laut Serfajs Erinnerungen unüblich und erschien
falsch. Der Name war dennoch der richtige und was konnte falsch daran sein,
seine Meinung zu sagen?
„Gut. Ich nehme den Namen. Leathan klingt gut und
schließlich werde ich für ihn sprechen. Wenn ich dann euren
König treffe, frage ich ihn, was er davon hält.“
Der königliche Name stand ihm gut, wie Loodera fand
und wie Lisa in ihren Gedanken lesen konnte.
„Jetzt die Antworten auf meine Fragen. Seit wann kannst
du Gedanken lesen und warum bist du dir sicher, dass Mehana meine Mutter ist?“
„Nicht so einfach, darauf zu antworten…“
Zwar fiel es Leathan tatsächlich schwer in Worte zu
fassen, was er nur zu fühlen vermochte, dennoch war es ihm angenehm,
über etwas anderes zu sprechen, als über seine Aufgabe, den
König zu finden. Obwohl er sich nun auf das Gespräch mit Loodera
konzentrieren wollte, ließ sich Leathan von den wenigen Menschen
ablenken, die auf dem Dach des Refektoriums waren und sich bemühten ihn
nicht anzustarren. Alle trugen dieselben Gewänder wie er selbst und
Loodera, kaum jemand hatte kurze oder gar gepflegte Haare… Sie wirkten dadurch
alle erschreckend ähnlich, nur das Alter schien sie voneinander zu
unterscheiden… Schließlich brach er seine Beobachtungen ab, und widmete
sich ausschließlich dem Beantworten von Looderas Frage…
„Ich glaube, ich konnte schon immer Gedanken lesen, das
konnte ich sogar schon, als ich noch Lisa war, obwohl das bei uns sehr
unüblich ist. Ich wusste aber nie wirklich, wie ich es kontrollieren
konnte. Hier in dem Körper von Serfaj und in dieser Welt, scheint es viel
leichter zu sein. Deine Gedanken über Mehana habe ich zufällig aufgeschnappt
und, dass sie deine Mutter ist, wusste ich plötzlich… Einfach so. Ich
weiß nicht, wie ich das mache. Ich kontrolliere es nicht wirklich. Kannst
du in mir lesen, wie ich es meine?“
Nun da sie dazu aufgefordert worden war, wagte Loodera
einen Versuch, in den Gedanken des neu ernannten Leathans zu treten, doch nach
wie vor waren sie undurchdringlich.
Leathan war ebenso erstaunt wie sie darüber... „Das
mache ich nicht mit Absicht. Es ist ungerecht, dass du mir deine Gedanken
öffnest und ich dir meine nicht… Wie machst du das?“
Kaum hatte er die Frage gestellt, wusste er wie
töricht diese war. Es war für Loodera, als würde man sie fragen,
wie sie ihr Herz zum Schlagen brachte. Es war einfach ihre Art zu
kommunizieren. Looderas Worte bestätigten seine Erkenntnis.
„Es ist für uns schwer die Gedanken zu verstecken.
Sie zu öffnen passiert einfach. Kinder haben ihre Gedanken weit offen.
Deshalb ist es so schwer zu lesen, was sie tatsächlich gerade denken, weil
man zu viel lesen kann und den Kern nicht erkennt. In unseren Schulen lernt man
dann, alle nicht wesentlichen Gedanken zu verstecken, so dass nur das zu lesen
ist, was man gerade mitteilen will. Vielleicht musst du es umgekehrt machen. Du
musst lernen das zu öffnen, was du mitteilen willst. Versuch es einfach.“
Es war eine Frage des Vertrauens und plötzlich
zögerte er… Wenn er einen Teil der Gedanken öffnen sollte, musste er
aufpassen, nicht alle Gedanken zu verraten. Das würde unangenehm für
ihn. Loodera würde entdecken, dass es ihm noch immer schwer fiel, sich
nicht selbst als Lisa, ein sechzehnjähriges Mädchen, zu betrachten.
Sie würde entdecken, dass sein Geist wieder zögerte, sich selbst als
Mensch zu akzeptieren, denn Elenas Ängste waren nun auch plötzlich
zurückgekehrt.
Nun, da der Wald der Quelle und der König
erwähnt worden waren, hatte sich etwas Seltsames in seinem Geist geregt.
Eine Vergangenheit, an die sich Elena nicht hatte erinnern können, war
wieder präsent. Es war, als würde man einen verzerrten Schatten
betrachten und sich dabei wünschen, man wüsste, was diesen Schatten
wirft.
Das war die Frage, die es zu beantworten galt. Den
Ursprung des Schattens finden… Leathan rief seine Gedanken wieder in die
Gegenwart. Loodera wartete noch auf eine Antwort.
„Weißt du noch, als ich nicht wollte, dass du mit
in
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