Die Quelle
Beherrschtheit, die er bewiesen
hatte, als er durch das Lesen ihrer Gedanken erfahren musste, dass es Alienta
war, der ehemalige Regent, dem Mehana zutraute, verräterisches Gedankengut
innerhalb ihres Volkes zu verbreiten. Esseldan hatte keinerlei
Enttäuschung empfunden, keinerlei Bedauern. Der Armeeanführer war
bereit sein Volk zu schützen, ohne sich dabei von Gefühlen
schwächen zu lassen. Wie sehr er sich doch verändert hatte, er der
einst in dem fernen Dorf Kaluwik das Gefühlsleben zugelassen hatte!
In Mehana hatte Esseldan nur eine Schwäche entdecken
können… in der Liebe, die sie ihrer Tochter Loodera entgegenbrachte.
Wäre das bereits Grund dafür, Verrat zu schreien, würden sie
heute wahrscheinlich die meisten Frauen verhaften müssen. So wie Mehana
wusste, hatte es fast jede Frau schwer, die bereits Kinder bekommen hatte, ihr
eigen Fleisch und Blut an die Allgemeinheit abzugeben. Das war wahrscheinlich
die größte Schwäche ihrer Gesetze, dennoch unvermeidlich, um
das Volk der Wächter stark aneinander als gesamtes Volk und nicht als
einzelne Familien zu binden. Mehanas Gefühle für Loodera waren
lediglich ein übertriebenes Interesse, jedoch würde sie jederzeit die
Treue zu ihrem Volk ihrer Liebe zu Loodera vorziehen. Sie wusste, auch das
hatte Esseldan gesehen, sonst hätte er nicht seine Zustimmung geben
können.
Das Volk der Wächter konnte sich auf seine Regentin
und auf seinen Armeeanführer verlassen.
Beide wandten sich nun den Frauen und Männern zu,
die auf ihre Überprüfung warteten. Der Vorgang würde lange
andauern, doch diese Zeit mussten sie sich nehmen. Mehana tauchte als erstes in
Galtirias Gedanken ein. Die Kriegerin schoss die Augen, ließ ihre
Gedanken offen und lieferte sich ihr bereitwillig aus.
Diejenigen, die bestanden hatten, konnten ihrerseits
prüfen, so ging es weiter, bis sich alle der Erforschung ihrer Gedanken
unterzogen hatten. Mehana atmete auf und gewann ihr Lächeln wieder. Die
Armee war treu und dies ohne Ausnahme.
Sie hatten die eine oder andere Schwäche entdeckt:
starke Liebesbindung, leichte Unzufriedenheit oder öfters
Überheblichkeit, die vor allem bei denjenigen vorkam, die stärkere
magische Energien hatten, was auf fast jeden in der Armee zutraf. Ganz ohne
Magie war es unmöglich, die Kampftechniken, die sie besaßen, zu
beherrschen. Somit hatten viele der Anwesenden das Gefühl, zu einer Elite
zu gehören. Dennoch ließen die meisten es sich nicht anmerken und
alle versuchten, diesem Gefühl nicht nachzugeben. Das alles waren zwar
Charakterzüge, die nicht ganz dem Gedankengut entsprachen, dem sie sich
verschworen hatten, doch menschliche Schwächen wurden toleriert, so lange
sie nicht über das Allgemeinwohl gestellt wurden.
Auch Esseldan war erleichtert. Wie Mehana jetzt wusste,
hatte er hohe Ansprüche an sich selbst. Er hatte seine Leute bereits in
der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen
überprüft. Nie hätte er es sich verzeihen können,
ausgerechnet bei seinen Soldaten verräterisches Gedankengut übersehen
zu haben.
Diesmal ließ sich Mehana von Galtiria helfen, als
sie durch die großen Arkadenbögen hinaussah und auf ihre Stadt
blickte, um ihre Magie in sie fließen zu lassen. Galtiria stellte sich
hinter die Regentin und teilte ihre Kräfte mit ihr, um ihre Macht zu
stärken. Eine leise Melodie legte sich über die weißen Steine,
über jeden Einwohner, den Mehana erfühlte. Erst als sie ihre Hand
hob, erteilte Esseldan wortlos seine telepathischen Befehle an seinen Kriegern.
Einige seiner Leute schickte er an die Tore, um jeden zu überprüfen,
der von den Feldern zurückkam. Alle anderen wurden in die Stadt
ausgesandt. Still, heimlich, fast gespenstisch, schwärmten sie aus, um die
Bewohner von Ker-Deijas zu erforschen.
Die gesamte Armee war vor den Augen der Bevölkerung
verdeckt. Mehana blieb alleine zurück und hielt den Zauber aufrecht,
während Galtiria und Esseldan zu Alienta aufbrachen.
*
Leathan und Loodera saßen noch immer auf der Bank
im Schatten des Baumes, doch die ruhige Zeit war vorbei. Zur Mittagsstunde
kamen viele vom Volk der Wächter auf den Dachgarten des Refektoriums, um
Erholung zu suchen, doch an diesem Tag waren es mehr als üblich, wie
Leathan wusste. Neugierde hatte sie wohl hergetrieben, denn Loodera hatte bereits
telepathisch die Nachricht verbreitet, dass Serfaj von nun an Leathan genannt
werden sollte. Den Namen ihres Königs zu hören, hatte die ohnehin
schon vorhandene Neugierde der
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