Die Quelle
jemand wie Leathan war, auf dessen Schultern das Schicksal
seines Volkes lastete… und er war traurig, ihm dabei anscheinend kaum helfen zu
können, denn auch er ahnte, so wie Leathan es zuvor angedeutet hatte, dass
seine Aufgabe weitaus mehr in sich barg, als nur Bote des Königs zu sein. Am
Ende, oblag es möglicherweise Leathan, die gesamte Prophezeiung zu
erfüllen. Vielleicht waren alle Verse an ihn gerichtet. Er wünschte
es ihm wahrlich nicht, denn sie waren von Leid erfüllt.
*
Anthalion war hellwach. Gefangen in den Erinnerungen
seines Albtraumes, raste sein Herz und rief ihm ins Bewusstsein, dass er noch
immer lebte. Es war nichts weiter als ein Traum gewesen. Sein Körper lag
schweißgebadet in feuchten Bettlaken und er stand auf, um diesem Symbol
seiner Schwäche zu entkommen. Er rief laut und ungeduldig nach einem
Diener, der sofort in der Tür erschien, einen leichten Anflug von Angst
auf sein Gesicht gezeichnet.
„Baden.“, erteilte der Herrscher seinen Befehl.
Sofort sprang der Diener aus dem Raum. Anthalion konnte
hören, wie er seine Dienerschar zusammenrief, um die Wasserkessel in den
Baderäumen anzuheizen und das geforderte Bad herzurichten. Es war leicht
herauszuhören, wie allesamt sich erfolglos bemühten, ihre Arbeit
leise zu verrichten. Anthalion ging bis zur Tür, die zu den
Baderäumen führte, und blieb an der Schwelle stehen, um das hektische
Treiben der Diener zu beobachten. Er kämpfte dabei gegen seinen Ärger
an. Er hasste es zu warten, er hasste es, in einer solch primitiven Welt leben
zu müssen.
Anthalion hatte als Geist viele Welten durchwandert, und
auch wenn er keine Augen gehabt hatte, um sie zu sehen, so hatte er sie dennoch
erspüren können. Er dachte an die Welten, in denen eine einzige Geste
ausgereicht hätte, um heißes Wasser in eine Wanne einzufüllen.
Stattdessen musste er warten, bis die Arbeit der Diener ihre Früchte
tragen würde.
Nun, es hatte auch Vorteile…
Bösartig blickte er in die Runde, um sich das Warten
zu versüßen. Er musste nichts dazu sagen. Die Diener brachen in
Panik aus. Er hatte schon sinnlosere Gründe für seine grausamen
Bestrafungen gefunden. Das Spiel mit der Angst amüsierte ihn und brachte
seine gute Laune zurück. Was spielte es für eine Rolle, wenn er von
Albträumen geplagt wurde? Er war am Leben, nur das war wichtig.
Als er in die große Wanne stieg, warteten bereits
drei Dienerinnen darauf, ihn zu baden, ihn zu verwöhnen und jeden seiner
Wünsche zu erfüllen. Er konnte Furcht auf ihren Gesichtern erkennen,
was ihn noch zusätzlich anregte. Das heiße Wasser kribbelte auf
seiner kalten Haut, die Empfindung ließ ihn genüsslich erschaudern
und er schloss die Augen, um die sanften Hände auf seiner Haut noch
deutlicher zu spüren. Nichts mehr konnte ihn von seiner wachsenden
Erregung ablenken… Er zwang sich zu warten, nur noch ein wenig den Augenblick
hinauszögern, da er seinem Körper Augenblicke des Vergessens schenken
konnte. Das Verlangen übermannte ihn jedoch rasch und mit brutaler
Ungeduld zog er eine der Dienerinnen zu sich. Er hörte sie
angsterfüllt aufschreien, doch dies war das letzte, was er bewusst
wahrnahm, ehe er den Instinkten seines Körpers freien Lauf ließ und
sich vollständig der Wolllust hingab… Das war das einzige Gefühl, dem
er nachgeben konnte, ohne dafür den Preis des Wahns zahlen zu
müssen...
Er verließ nur kurze Zeit später seine
Gemächer und hinterließ drei erleichterte Dienerinnen. Sie hatten
keine seiner grausamen Fantasien erleiden müssen, heute war für sie
ein guter Tag.
*
Anthalion hatte nur noch wenige Aufgaben, da er die
meisten an die Hohepriester und an seine Berater delegiert hatte, doch als er
an diesem Tag seinen Thronsaal betrat, warteten bereits mehrere seiner Priester
auf ihn. Sie warfen sich untertänig zu Boden, als er achtlos an ihnen
vorbeilief. Anthalion ignorierte sie vorerst und ließ sie in ihrer
devoten Position ausharren, während er die Treppe zu seinem Thron
beschritt. Die beiden Gardisten, die den Thron bewachten, beobachteten
scheinbar teilnahmslos die ihnen vertraute Situation. Anthalion wusste, sie
ließen keinen der Bittsteller aus den Augen, bereit sie mit dem Tode zu
bestrafen, sollte einer von ihnen aufstehen, ehe ihr Herrscher es ihnen befahl.
Dies war die einzige Aufgabe, die sie hatten, denn Schutz brauchte Anthalion
keinen: Niemand hätte es gewagt, den Gott-König anzugreifen.
Angewidert blickte Anthalion sich kurz in dem
pompösen
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