Die Quellen Des Bösen
würde.
»Ich war es nicht, Seskahin. Das ist die Wahrheit«, behauptete sie nachdrücklich.
Knisternd bildeten sich Risse im Eisblock, das Gebilde zersprang, und die Brocken polterten auf die gestampfte Erde. Die Hohepriesterin wich zurück.
Viel sagend schaute Lorin auf die Trümmer. »Wenn Kalisstra Euch nicht glaubt, warum sollte ich es dann tun?«
Kiurikkas Schultern sanken nach vorn. »Es ist wohl an der Zeit, dass ich um Verzeihung bitte. Die Bleiche Göttin verlangt es, wie es scheint«, begann sie. »Aber ich werde niemandem sonst etwas davon sagen oder es vor anderen eingestehen. Es ist nur für deine Ohren bestimmt.« Lorin nickte knapp. »Soini sollte mir einen Schwarzwolf besorgen, den er in die Stadt und in euer Haus geschmuggelt hätte. Im besten Fall hätte das Tier Matuc angegriffen. Ich wollte, dass es so aussah, als hätte Kalisstra selbst ein Zeichen gegeben, die andere Religion nicht zu dulden und von hier zu vertreiben.« Ihre durchdringenden Augen suchten den Blick ihres Gegenübers. »Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass Ulldrael der Gerechte nichts bei uns zu suchen hat. Das Beispiel mit den Süßknollen zeigt, dass aus seinen scheinbar guten Gaben nur Schlechtes erwächst. Wegen des Krieges mit den Vekhlathi werden viele sterben. Wegen Gemüse.«
»Wäre es besser, wenn das Hauen und Stechen wegen Gold oder Fischen stattfände?« Lorin fixierte die Hohepriesterin. »Ich verstehe Eure Eifersucht auf Matuc und Ulldrael nicht, Kiurikka. Er tut niemandem weh, er verdammt nicht einmal den Glauben an die Bleiche Göttin. Er möchte einfach seine Lehre verbreiten, und wenn sich ihm jemand anschließt, ist er glücklich. Nur durch ihn hat die Stadt den Winter überlebt, nur durch die fleißigen Hände der Ulldraelgläubigen.« Er drehte sich um und ging zur Treppe zurück. »Ich behalte Euer Geständnis für mich. Versteht den zerstörten Eisblock als Zeichen, mit Euren Verfolgungen aufzuhören. Ihr werdet sehen, dass ein Miteinander möglich ist.«
Die Frau atmete langsam aus. Mag sein. Nachdenklich betrachtete sie die durchsichtigen Eisbrocken um sie herum.
Kontinent Ulldart, Vizekönigreich Ilfaris,
Herzogtum Séràly, zehn Meilen nordwestlich der
kensustrianischen Grenze, Sommer 459 n. S.
D er tarpolische Kavallerieleutnant Njubolo Aritewic erhob sich, damit ihn die anwesenden Offiziere besser sahen und hörten. »Wir sollten die Erfolge nicht allein den Seestreitkräften überlassen.« Die Militärs murmelten ihre Zustimmung. »Nach den neuesten Nachrichten liegen die Piraten in den letzten Zügen, während wir mit unseren Pferden Wurzeln schlagen und das Futter rationieren müssen.«
»Unsere Order lautet, die Ankunft der hoheitlichen Tadca, Zvatochna Bardri¢, abzuwarten«, merkte Larúttar an, einer der fünf tzulandrischen Selidan, deren Rang dem eines tarpolischen Obersts entsprach. Im Gegensatz zu den anderen Soldaten verzichtete er auf eine kostspielig bestickte Stoffuniform und trug, ähnlich wie die tzulandrischen Offiziere zur See, eine dunkelbraune Lederrüstung, die bis auf die Oberschenkel reichte.
Anstelle der aufgesetzten Eisenringe verstärkten Metallscheiben den Panzer, die eingeätzte, fremdartige Muster aufwiesen. Die Beine wurden durch einen ähnlich verarbeiteten langen Lederrock geschützt, die Seitenschlitze ermöglichten ihm zu reiten. In seinem Waffengürtel ruhten zwei Beile, versehen mit vielen unsymmetrischen Ecken und Kanten.
Auf eine Perücke verzichtete er, er trug die übliche Frisur der Tzulandrier: drei dünne Haarstreifen, zwei waagrecht über den Ohren, eine oben auf dem ansonsten rasierten Schädel. »Vielleicht gelten neue taktische Maßgaben.«
General Vosetin Malinek trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Er hatte die Offiziersversammlung in ein schön gelegenes Schlösschen einberufen lassen, um sich auf den Besuch der Schwester des Kabcar vorzubereiten.
Doch die Stunden währende Diskussion drehte sich weniger um den Empfang der neuen Befehlshaberin als vielmehr darum, ob man ihre Pläne ohne sie ausführen sollte.
Angestachelt wurde der Ehrgeiz der Truppen durch die ständigen Siegesmeldungen aus dem Norden. Der letzte Triumph des Heeres lag schon einige Zeit zurück.
»Meine Herren«, breitete Malinek die Arme aus und zwang Aritewic damit, sich zu setzen, »ich habe die Anweisungen der Tadca sehr genau gelesen und muss sagen, dass sie durchdacht sind.« Ich hoffe, ich beende damit nicht meine Karriere.
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