Die Quellen Des Bösen
für ihn und Tzulan in die Schlacht zu stürzen. Dabei ist ihm einerlei, wie viele dabei verrecken. Es gibt zwei Möglichkeiten: Er und Zvatochna kommen zu uns, oder wir gehen zu ihm. Begegnen wir uns, so vernichten wir sie. Ebenso wie Nesreca und Sinured.«
»Die Ursprünge des Bösen?«, stieß Stoiko bitter hervor. »Sie liegen schon lange tot und begraben unter der Erde.«
»Ihr meint den alten Kabcar?«, erkundigte sich der Fremde schwermütig.
»Nein. Ich meine diejenigen, die den alten Kabcar in die Arme des Gebrannten Gottes getrieben haben. Arrulskhán und wie die vielen anderen Narren hießen, die sich Tarpol unter den Nagel reißen wollten, weil …« Er stockte mitten im Satz, winkte ab.
»Lassen wir die alten Geschichten. Bekämpfen wir das, was aus den Machenschaften und dem vielen Leid hervorgegangen ist«, seufzte der Fremde traurig.
»Diese Einsicht teile ich mit Euch.« Perdór achtete sorgsam auf den Tonfall des Fremden, der sich um das Wohlergehen der Einfachen ähnlich sorgte wie er. So gelangte er zu der Ansicht, einen hoch stehenden Tarpoler vor sich zu haben, unter Umständen einen adligen Dissidenten, der wegen kritischer Äußerungen vor Govan Bardri¢ flüchten musste. »Unentdeckt nach Ulsar zu reisen ist Utopie. Nur, wie bekommen wir den Kabcar dann zu uns?«
Der Fremde überlegte. »Er würde kommen, wenn man ihn köderte. Wenn man ihn reizte. Mit etwas, was er in seiner grenzenlosen Machtbesessenheit unbedingt haben will. Dann ist er zu allem fähig.«
»Ihr scheint ihn sehr genau zu kennen«, äußerte sich der rundliche König. »Wie kommt das? Erzählt von Euch.«
»Ich gehörte zu denen am Hof, die es schafften, ihm lange Zeit sehr nahe zu stehen. Doch ich fiel in seine Ungnade und musste Ulsar rasch verlassen, um nicht endgültig ein Opfer seiner Gier zu werden.«
»Und welches Amt habt Ihr bekleidet, wenn ich fragen darf? Es muss schon ein besonderes gewesen sein«, hakte Perdór nach. Er kannte alle höheren Beamten dank seiner Spione mit Namen und war gespannt, welcher von denen, die ihm in den Sinn kamen, die Flucht vor dem Herrn ergriffen hatte. »Was wollte er von Euch?«
Der Unbekannte zögerte. »Er wollte meine Magie. Und freiwillig habe ich sie ihm nicht überlassen.«
Perdór fühlte seine schlimmsten Vermutungen, was das Schicksal der Cerêler in der Hauptstadt anging, mehr als bestätigt. Kalisstra beschütze sie.
»Euer Name, Ihr Meister der Geister«, erinnerte ihn Fiorell an die Frage seines Herrn. »Noch habt Ihr ihn nicht genannt.«
Zaudernd senkte der Fremde den Kopf, nahm die Hände aus den Ärmeln, umfasste die Ränder seiner Kapuze und streifte sie Stück für Stück zurück. Verfilztes blondes Haar kam zum Vorschein. Langsam hob er den Schopf, bis er sein hageres Gesicht den anderen zeigte. Seine dunkelblauen Augen schweiften ernst von einem zum anderen.
»O Ulldrael der Gerechte!« Stoiko klammerte sich an der Tischkante fest. »Sehe ich ein Gespenst, oder seid Ihr es wirklich?« Fassungslos erhob er sich und starrte den Mann an, den er das letzte Mal vor vielen Jahren in Ulsar gesehen hatte, als sie sich von Wachen umringt in der Dachstube gegenüberstanden hatten. »Ihr lebt?« Seine Gefühle rissen ihn hin und her. Freude rang mit dem Wissen über die Verbrechen und Toten, die zu Lasten seines einstigen Schützlings gingen.
Soscha verstand den Ausbruch heftiger Empfindungen. Ihr erging es nicht viel besser. Bei ihr überwog jedoch das Schlechte. Denn vor ihr saß der Herrscher, der ihr einen Teil ihrer Kindheit geraubt, sie von Vater und Mutter entführt und im Kerker hatte schuften lassen. Vermutlich erinnerte er sich nicht mehr an sie. Vermutlich hatte er sie damals bereits vergessen, als er aus dem Haus ihrer Familie getreten war und sich das Amulett um den Hals gehangen hatte.
»Ja, Stoiko, du täuschst dich nicht«, sprach der Mann mit erstickter Stimme. »Ich bin Lodrik Bardri¢.« Er stand auf, schob den Stuhl zur Seite und schritt hinüber zu seinem Vertrauten aus vergangenen Tagen. Dann sank er vor ihm auf die Knie. »Ich bitte dich um Verzeihung. Für alles, was ich dir angetan habe. Auch wenn ich den Einflüsterungen Nesrecas erlag, so rechtfertigt nichts mein Handeln. Nichts hielt mich damals davon ab, über die Worte und Ratschläge meines falschen Cousins nachzudenken und sie zu prüfen.«
Stoiko stiegen die Tränen in die Augen. »Was wurde nur aus Euch, Herr?« Er zog ihn hoch. »Ist das der Preis der Magie?« Er schaute
Weitere Kostenlose Bücher