Die Rache
Antwort.
Butler stand für gewöhnlich auf, wenn er sich von jemandem verabschiedete, aber in diesem Fall musste er sich aufs Knien beschränken. Holly verschwand fast in seiner Umarmung.
»Bis zur nächsten Krise«, sagte sie.
»Vielleicht könnten Sie ja auch einfach mal zu Besuch kommen«, erwiderte er.
»Jetzt, wo ich Zivilistin bin, wird es schwieriger, ein Visum zu bekommen.«
»Sind Sie sicher, dass es die richtige Entscheidung war?«
Holly zog die Stirn kraus. »Nein, ich bin hin- und hergerissen.« Sie wies mit dem Kopf auf Artemis. »Aber da bin ich nicht die Einzige.«
Artemis musterte Sool mit seinem herablassendsten Blick. »Glückwunsch, Commander, Sie haben es geschafft, den besten Officer der ZUP zu verjagen.«
»Jetzt hör mir mal gut zu, Menschenjunge -«, begann Sool, doch Butlers Knurren ließ ihn verstummen. Hastig ging er hinter dem größten seiner Männer in Deckung. »Schickt sie nach Hause. Auf der Stelle.«
Die Soldaten zogen ihre Waffen, zielten und drückten ab. Eine Betäubungskugel bohrte sich in Artemis' Hals und löste sich sofort auf. Für Butler nahmen sie vier. Sicher ist sicher.
Artemis hörte noch, wie Holly protestierte, dann verschwamm alles vor seinen Augen wie bei einem impressionistischen Bild. Wie beim Elfendieb. »Das wäre nicht nötig gewesen, Sool«, sagte sie und fing Artemis auf. »Die beiden kennen den Schacht. Sie hätten sie ohne Betäubung zurückbringen können.«
Sools Stimme klang, als spräche er aus einem tiefen Brunnen. »Ich gehe kein Risiko ein, Captain - ich meine, Miss Short. Menschen sind von Natur aus gewalttätig, vor allem wenn sie transportiert werden.«
Artemis spürte Hollys Hand auf seiner Brust, unter seinem Jackett. Sie schob ihm etwas in die Tasche. Aber er konnte nicht fragen, was es war, weil seine Zunge ihm nicht mehr gehorchte. Das Einzige, was er noch konnte, war atmen. Hinter sich hörte er einen dumpfen Aufprall. Butler ist hinüber , dachte er. Jetzt bin ich allein. Und dann war er auch hinüber.
Fowl Manor.
Allmählich kam Artemis wieder zu sich. Er fühlte sich wohl und ausgeruht, und seine Erinnerungen waren alle an ihrem Platz. Oder vielleicht auch nicht. Wie sollte er das wissen? Er öffnete die Augen und sah das Fresko an der Decke über ihm. Er war wieder zu Hause, in seinem Zimmer.
Eine Weile blieb er reglos liegen. Nicht weil er sich nicht bewegen konnte, sondern weil es ein solcher Luxus war, einfach daliegen zu können. Keine Wichtel, die es auf ihn abgesehen hatten, keine Trolle, die gierig ihre Krallen wetzten, kein unterirdischer Rat, der ihn verurteilte. Er konnte einfach hier liegen und nachdenken. Seine Lieblingsbeschäftigung.
Artemis musste eine wichtige Entscheidung treffen. Wie sollte sein Leben von nun an verlaufen? Es lag ganz bei ihm. Er konnte weder den Umständen noch dem Druck einer Clique die Verantwortung zuschieben. Er war ein eigenständiger Mensch und intelligent genug, das zu begreifen.
Das einsame Leben als Verbrecher gefiel ihm nicht mehr so wie früher. Er verspürte keinerlei Wunsch, jemanden zum Opfer zu machen. Dennoch wollte er den Kitzel nicht missen, den die Ausführung eines brillanten Plans in ihm auslöste. Vielleicht gab es ja einen Weg, sein kriminelles Genie mit seinen neu entdeckten Moralvorstellungen zu verbinden. Einige Leute verdienten es, bestohlen zu werden. Er könnte eine Art moderner Robin Hood werden: von den Reichen stehlen und es den Armen geben. Na ja, oder erst mal von den Reichen stehlen. Eins nach dem anderen.
In seiner Jackentasche vibrierte etwas. Artemis griff hinein und holte ein unterirdisches Walkie-Talkie heraus. Eins von dem Paar, mit dem sie Opal überlistet hatten. Artemis erinnerte sich dunkel, dass Holly ihm etwas in die Tasche gesteckt hatte, bevor er ohnmächtig geworden war. Offensichtlich wollte sie in Kontakt bleiben.
Artemis erhob sich, klappte das Gerät auf, und auf dem Bildschirm erschien Hollys lächelndes Gesicht.
»Du bist also gut nach Hause gekommen. Tut mir Leid wegen der Betäubung. Sool ist ein Mistkerl.«
»Vergessen Sie's. Ist ja nichts passiert.«
»Du hast dich verändert. Früher hätte Artemis Fowl Rache geschworen.«
»Ja, früher.«
Holly blickte sich um. »Hör zu, ich kann nicht lange sprechen. Ich musste mit dem Ding schon heimlich einen Verstärker anzapfen, um überhaupt ein Signal zu kriegen. Der Anruf kostet mich ein Vermögen. Ich brauche deine Hilfe.«
Artemis stöhnte. »Nie ruft mich
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