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Die Rache-Agentur

Die Rache-Agentur

Titel: Die Rache-Agentur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Sanders
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handelte es sich nicht um Mails des Bedauerns, es waren Nachrichten voller Liebe und Leidenschaft. Erinnerungen an kurze Begegnungen, die erst eine Woche zurücklagen, und Pläne für weitere Treffen «wenn ich hier wegkann». Die letzte, auf die er bereits geantwortet hatte, war vor einer Stunde eingetroffen.
    Georgie wusste nicht mehr, wie lange sie auf den Bildschirmschoner gestarrt hatte, aber als sie sich schließlich in Bewegung setzte und den Computer herunterfuhr, war ihr Tee kalt geworden. Das Hämmern ihres Herzens hatte zwar nachgelassen, aber ihr Kopf schmerzte. Vor den Fenstern, deren Vorhänge offen standen, konnte sie die vorbeifahrenden Autos und die Straßenlampen sehen, aber das war auch das einzige Stück Normalität. Alles, wonach sie sich gesehnt hatte, war verschwunden. Ihre Augen blickten suchend durch den Raum nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Etwas Ehrliches, das sie daran erinnerte, wer sie war. Aber nichts von ihr war hier. Eds strenger Minimalismus drohte sie alle zu verschlingen. Wie passte sie da hinein? Er hatte sogar etwas gegen Kunstdrucke oder Fotos, egal, wie geschmackvoll die Rahmen waren. Das professionell aufgenommene Porträt von Libby, das sie vor zwei Jahren hatte machen lassen, war gütig belächelt worden und anschließend verschwunden. Es hatte nie auf einem Tisch oder einer Kommode gestanden. Sogar Libbys Zeichnungen aus der Schule waren verbanntworden – bis auf eine, die entfernt an Rothko erinnerte. Er hatte sie gerahmt und in der Küche aufgehängt. Wo andere Familien selbstgebastelte Karten und Einladungen aufgehängt hatten, war das hier eine kunstvoll arrangierte Tischlandschaft, ausgeklügelt positioniert, nach stundenlangem Überlegen. Von Ed.
    Nachdem der Schock über das, was sie in den E-Mails gelesen hatte, ein wenig abgeklungen war, entstand kalte, harte Wut tief in Georgies Innerem. Verdammter Scheißkerl. «Das hier ist nicht mein Zuhause.» Ihre Stimme durchschnitt harsch die Stille, und ihr war zunächst nicht bewusst gewesen, dass sie laut gesprochen hatte. «Das hier bin ich nicht.» Sie blickte sich aus der Mitte des perfekten, kalten und abschreckend wirkenden Raums um, dann stand sie auf und ging in Eds Ankleidezimmer – sein kleines Geschenk an seine Eitelkeit, das er sich zu Lasten eines Gästezimmers gegönnt hatte, in dem Georgies Eltern hätten übernachten können. Es lag weit genug von ihrem Schlafzimmer entfernt, sodass sie ihn nicht stören würde, aber was machte das jetzt noch für einen Unterschied?
    Das hier war ganz und gar sein Reich, und ihr wurde klar, dass sie den Raum eigentlich nur betrat, um Staub zu saugen. Es roch sogar nach ihm darin. Sie wandte sich den Einbauschränken aus Ahornholz zu, die so perfekt eingepasst waren, dass man sie zunächst gar nicht bemerkte. Sie drückte auf eine der Türen, die geschmeidig aufglitt. Seine Garderobe befand sich ordentlich gefaltet in den Regalen oder hing von den beiden Kleiderstangen – ein Meer aus Schwarz und Anthrazit. Die Schuhe waren ordentlich auf abgeschrägten Metallgittern aufgereiht. Er war immer jemand mit einem zwanghaften Ordnungstick gewesen, der die Dinge gern «so und nicht anders» hatte, und er brachte seine Sachen sogar selbst in die Reinigung. Sie hatte das einmal liebenswert gefunden. Hatte.
    Zuerst noch vorsichtig, griff Georgie in die Taschen seiner Jacketts, ohne dass sie wirklich fündig wurde. Ein Knöllchen für falsches Parken, das offensichtlich noch nicht bezahlt worden war. Sie runzelte die Stirn. Das sah Ed gar nicht ähnlich. Doch andererseits ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass sie gar nicht hätte sagen könne, was Ed überhaupt ähnlich sah. Sie hatte geglaubt, ihn durch und durch zu kennen. Sie legte den karierten Umschlag zurück und griff in die nächste Tasche. Der Beleg eines Restaurants, in dem sie noch nie gewesen war, das Datum schon Monate alt. Eine Serviette aus einer Cocktailbar im West End. Normalerweise hätte sie diese Dinge als unwichtig abgetan, aber nun suchte sie nach weiteren Details. Lippenstift? Parfüm? Telefonnummer? Es stand enttäuschenderweise nichts darauf.
    Mit eiskalter Ruhe griff Georgie nach Eds Schuhen und schüttelte sie aus. Was erwartete sie darin zu finden? Skorpione? Aufgerollte Fünfpfundscheine? Nach den ersten Paaren gab sie es auf, und ihr wurde klar, dass es unwahrscheinlich war, in den Sachen eines Kontrollfreaks wie Ed etwas Belastendes zu finden. Allmählich kam sie sich albern vor. Eds

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