Die Rache-Agentur
Fußboden. Sie steckte den Kopf in den Kühlschrank, um ihre Haut zu erfrischen, goss den Rest Orangensaft in ein Glas und ließ sich aufs Sofa fallen. Das einfallende Straßenlicht reichte aus, um die Umrisse im Zimmer erkennen zu können.
Ein BMW. Hatte etwa Ben vor ihrem Haus geparkt? Ganz sicher nicht, wenn er doch behauptete, dass Stalking nicht seine Art sei. Doch sagten die Leuten nicht häufig das eine und taten dann das Gegenteil davon? Flick wusste, dass sie sehr zynisch war, aber sie wusste auch, dass Skepsis und Vorsicht guten Schutz vor Verletzungen boten. Wenn du niemandem dein Herz zeigst, kann es auch nicht gebrochen werden.
Und warum wollte sie dann unbedingt glauben, dass Ben derjenige war, der er zu sein behauptete? Warum sollte es ihrüberhaupt etwas ausmachen – wo er doch außerdem verheiratet war?
Flick lehnte den Kopf zurück an ein Kissen. Weil sie, wie ihr in diesem Augenblick klar wurde, keine Lust mehr auf Spielchen hatte, auf ein Leben auf Sparflamme und weil sie Angst vor den Folgen hatte, wenn sie die Kontrolle völlig aufgab.
Georgie tat so, als schliefe sie noch, als Ed aufstand, und ignorierte die Tasse Tee, die er ihr neben das Bett stellte. Tatsächlich lag sie sogar schon seit Stunden wach und ließ die Ereignisse wie einen Film in ihrem Kopf ablaufen. Und mit jeder Wiederholung wuchs ihre Entschlossenheit, als sie seine Lügen mit den belastenden Beweisen abglich.
Als er das Haus verließ, kroch Libby schlaftrunken an seine Stelle im Bett, und sie kuschelten eine Weile, bis ihre unablässigen Fragen wegen irgendeiner Belanglosigkeit Georgie unter die Dusche trieben. Ed würde den ganzen Tag lang weg sein, den sie bei wunderbarem Sonnenschein mit ihrer Tochter zu verbringen gedachte. Sie würden im Parkview Café ein Schinkensandwich essen – vielleicht noch ein Eis dazu –, und sie würde Libby diesen teuren Rucksack kaufen, dessentwegen sie ihr schon seit längerem in den Ohren lag. Warum nicht, zur Hölle? Ed hatte sie gebeten, ihm ein paar neue Socken mitzubringen, aber das würde sie vergessen. Stattdessen würde sie mit Libby durch Buchläden stöbern, Enten füttern und vielleicht etwas Leckeres zum Tee einkaufen.
Ed, Ed, Ed. Ihre Schritte hämmerten seinen Namen, als sie die Straße entlangging. Libby plapperte vor sich hin, während sie die Hand ihrer Mutter festhielt und hier und da einen Hüpfer machte. Irgendwann blieb Libby vor den Auslagen eines Billigkaufhauses stehen, in denen es vor bunten Plastiksachen nur so wimmelte.
«Sieh mal, Mum», rief sie. «Chantelle aus meiner Klasse hat genau so einen Frisiertisch. Er ist toll, nicht?»
Georgie betrachtete das violette, herzförmige Möbelstück mit den üppigen Verzierungen und dem verführerisch reduzierten Preis. Ed würde es hassen. Er würde es hassen!
Perfekt. Und sie würde ausgeben, was Sara Jackson bar auf den Tisch gelegt hatte. Georgie zog ihre erstaunte Tochter durch die Schwingtüren in den Laden, wo sie der Duft eines bunten Süßigkeitenallerleis erwartete. Sie gingen in den hinteren Teil des Ladens, vorbei an den Plastikpuppen, die wie Edelnutten aussahen und unwiderstehlich kleine Taschen als Zubehör hatten, und an Schuhen, die groteskerweise wirkten, als steckten die Füße bereits darin. Libby blickte sie mit großen Augen an.
Mit einem Einkaufskorb am Arm drang Georgie tiefer in den Laden vor und stieß auf weitere tolle Sachen. Die CDs und Spielkonsolen ignorierte sie allerdings, denn sie hatten einen gewissen Hightech-Look, der Ed womöglich gefallen hätte. Aber der Spiegel mit dem pinkfarbenen Federrahmen war ein Muss, ebenso der violette Frisiertisch aus Plastik mit den Glühbirnenleisten, wie sie in einer Theatergarderobe hingen. Die Tatsache, dass sie alles mit dem Auto am hinteren Eingang abholen konnten, machte das Geschäft perfekt.
«Ich denke, da fehlt noch etwas, meinst du nicht?» Georgie lächelte ihrer Tochter zu und hoffte, dass ihr Grinsen nicht so durchgeknallt wirkte wie bei Jack Nicholson in
Shining
. Pinkfarbene, glitzernde Poster, eine Überdecke mit Disneymotiven, dazu ein passender Kissenbezug und ein pinkfarbener Papierkorb – es wurde alles gekauft. Dazu ein herzförmiger Teppich, ein Körbchen voll flauschiger Plüschkätzchen mit einer arg schielenden Mutterkatze, eine Tapetenbordüre mit großen Cartoon-Gänseblümchen in Pink und Orange. Das sah alles schon richtig gut aus. Immer wieder kehrten sie zum Verkaufstresen zurück, wo sie ihre Schätze
Weitere Kostenlose Bücher