Die Rache-Agentur
waren die Anweisungen nicht ganz klar.»
Mrs Holsteins Stimme am anderen Ende der Leitung wurde noch schriller, sodass Flick den Hörer vom Ohr weghalten musste. Tja, dachte sie, überall auf der Welt gab es Menschen, die unter erbärmlichen Bedingungen überleben mussten, in Elendsvierteln oder ausgebombten Häusern, aber es gab eben auch welche, die sich wegen eines falsch gelieferten Toilettensitzes in Rage redeten. Wie zum Beispiel Mrs Holstein aus der Caveye Road Nr. 145.
Es war bereits ein langer Morgen für Flick, der damit begonnen hatte, dass Dolce ihr um halb fünf einen toten Vogel als Geschenk auf die Bettdecke gelegt hatte. Außerdem regnete es seit Tagen ununterbrochen; ein englischer Sommer, wie er im Buche stand. Joanna blickte zu ihr hinüber und lächelte. Da Georgie gerade Urlaub machte, waren Joanna und Flick permanent im Einsatz und vertraten sie beim Füttern von Hamstern, Rennmäusen und bei anderen ekelhaften Haustierpflichten. Flick würde niemals zugeben, dass sie schon ein paar Mal verschiedenen Nagetieren eine Zweitagesration Futter verabreicht hatte, in der Hoffnung, dass sie bis zu ihrem nächsten Termin nicht an Verfettung gestorben waren. Es war eine Riesenverantwortung, sich um die Haustiere anderer Leute zu kümmern, doch sie hatten seit der Gründung der Agentur erst einen Verlust zu verzeichnen, und das war einGoldfisch, der schon kränklich ausgesehen hatte, bevor seine Besitzer nach Spanien gefahren waren, also war es wohl kaum allein Schuld der Agentur gewesen.
«O Gott, ist es wirklich erst halb vier?», stöhnte Flick mit Blick auf ihre Armbanduhr, nachdem sie endlich Mrs Holstein losgeworden war, indem sie ihr versprochen hatte, die gigantische Klobrillenkrise so schnell zu lösen, wie es nach menschlichem Ermessen möglich war. Sie machte sich in Gedanken eine Notiz, dass sie manchen Kunden der Agentur nicht gestatten würde, die Mitgliedschaft zu erneuern, sobald ein bestimmter Umsatz erreicht war. Die beiden Damen «H» standen zuoberst auf der Liste, denn sie hatten ihnen seit dem Begleichen des ersten Beitrags nichts als Ärger eingebracht und riefen ständig an.
«Kannst du am Freitag bei der Hochzeit mithelfen?», fragte Flick Joanna, die sich gerade – ganz der gute Engel – anschickte, Tee aufzusetzen.
«Sicher. Sind vierhundert Ballons genug?»
«Ja, und ich habe auch –»
Wieder klingelte das Telefon. Da Joanna am nächsten Apparat auf Georgies leerem Schreibtisch stand, hob sie ab.
«Domestic Angels? Ja, ich stelle Sie durch.» Sie drückte die Stummtaste. «Es ist Alison.»
Flicks Laune verdüsterte sich. Sie wusste, dass sie Alison früher oder später zurückrufen musste, aber sie hatte gehofft, dies so lange aufschieben zu können, bis Joanna gegangen war.
«Kann ich zurückrufen?», fragte sie.
Joanna stellte die Stummtaste aus. «Darf sie Sie später am Nachmittag zurückrufen? Sie ist gerade unabkömmlich.» Flick wand sich. Sie dachte, dass sie Joanna diese lächerliche Floskel schon längst ausgetrieben hätte – es klang so, als würde sie gefesselt und geknebelt in der Ecke liegen.
«Ach so, ich verstehe.» Joanna wandte sich wieder Flick zuund zog eine Augenbraue hoch. «Sie sagt, dass es ihr später überhaupt nicht passt.»
«Okay.» Flick seufzte und bedeutete Joanna, ihr den Anruf durchzustellen.
«Alison? Wie geht es Ihnen?»
«Gut», erwiderte diese so brüsk, als sei sie zu sehr in Eile, um sich mit Nettigkeiten aufzuhalten. «Was haben Sie herausgefunden?»
«Nun ja …», sagte Flick langsam, um Zeit zu schinden, während sie überlegte, was sie sagen könnte, sodass es möglichst harmlos klang und Joanna nicht misstrauisch wurde. Sie betete, dass es auf der anderen Leitung klingelte, damit Joanna abgelenkt war, doch es blieb natürlich still.
«Ich befürchte, dass ich noch nichts Konkretes herausgefunden habe.»
«Was soll das heißen?»
«Nun, er war mit niemandem zusammen.»
«Was hat er dann getan?», drängte Alison, und ihre Stimme klang plötzlich unnatürlich hoch und gereizt.
«Ehrlich, er ist allein gewesen, ich habe niemanden bei ihm gesehen.» Flick beobachtete, wie Joanna eine Schublade aufzog und scheinbar völlig unbeteiligt eine Rolle Pfefferminzdrops hervorkramte. Ihre Ohren zuckten förmlich wie Antennen.
Stille am anderen Ende. «Oh.»
«Außerdem», fuhr Flick fort und ließ ihren Schreibtischstuhl herumwirbeln, bis sie mit dem Rücken zu Joanna saß, «habe ich herausgefunden,
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