Die Rache-Agentur
mir leid, dass wir dich nicht eingeweiht haben, Jo. Wir sind eigentlich auch nicht besonders stolz auf das, was wir da angestellt haben, aber bislang war alles ganz harmlos.»
«Der Anruf eben klang aber anders», mischte Tim sich ein.
«Stimmt.» Alisons Vorwürfe ärgerten sie. Hatte sie etwa einen Fehler gemacht? War sie von Bens Charme zu sehr beeindruckt gewesen? Doch er hatte sich ihr gegenüber nicht einmal besonders charmant verhalten. Sie konnte sich allerdings gut vorstellen, was in einem vorging, wenn er erst einmal anfing, seinen Charme spielen zu lassen. Allein sein Lächeln könnte dafür sorgen, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen. «Dieser Auftrag lief tatsächlich anders. Die Ehefrau scheint davon überzeugt zu sein, dass ihr Ehemann sie – nun, dass er mehrere Geliebte hat. Vielleicht stimmt das sogar, aber ich habe ihn bislang nicht erwischen können.»
«Flick», sagte Tim und nippte an seinem Tee, «ich glaube, Sie haben da eine gewisse Grenze überschritten.»
«Wie meinen Sie das?»
«So, wie Sie es formuliert haben, klang es, als hätten Sie bislang bloß ein wenig Racheengel gespielt. Alle noch mit Samthandschuhen angefasst. Doch das hier ist eine ganz andere Nummer. Sie betreten vermintes Terrain. Sie wissen schon, nächtliches Beschatten in Autos mit einem Superzoomobjektiv, um den Ehemann in flagranti zu ertappen.»
«In was?», fragte Joanna.
«Währenddessen», antworteten Flick und Tim gleichzeitig und lachten.
«Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?», meinte Joanna irritiert.
«Vielleicht haben Sie recht», sagte Flick, an Tim gewandt. «Aber diese Frau war wirklich ehrlich aufgebracht. Sie sagte, dass er ein Mistkerl sei und keine Kinder mit ihr haben wollte. Sie hat mir wirklich leidgetan.»
«Am Telefon hat das aber etwas anders geklungen», schnaubte Joanna und wandte sich wieder ihrem Computer zu.
Tim stieß sich von der Schreibtischkante ab und kam zu Flick hinüber. «Die Leute haben alle möglichen tiefsitzenden und komplizierten Gründe für die Dinge, die sie tun», meinte er leise und leerte seinen Becher. «Ich denke, es ist gut, dass Sie diesen Auftrag los sind, Flick. Bis bald, passen Sie auf sich auf. Ich komme mir die Schlüssel abholen, sobald ich wieder zurück bin.» Er stellte seinen Becher auf ihrem Schreibtisch ab, dankte Joanna für den Tee und verließ das Büro.
Nach den nachmittäglichen Schauern war der Abend nun mild, und Flick beschloss, den Wagen stehen zu lassen und durch den Park nach Hause zu laufen. Einige Leute spielten Fußball, während Paare Seite an Seite auf Decken lagen, sich gegenseitig etwas zuflüsterten und sich küssten. Flick zog ihre Strickjacke aus und legte sie sich lose über die Schultern. Eine Brise fuhr ihr über die Haut. Es war schön, draußen zu sein. Sie brauchte dringend Urlaub und fragte sich bei der Gelegenheit erneut, wie es Georgie wohl gerade ging. Flick hatte ihr früher am Tag eine SMS geschickt und sich nach dem Wetter erkundigt. Und sie war sich ziemlich sicher gewesen, dass die Antwort «mies» sich nicht nur auf den Dauerregen bezog.
Wie würde Flicks Urlaub wohl werden? Eine Freundinhatte etwas von einem Mädelstrip in die Türkei erzählt, aber darauf hatte Flick keine Lust. Lieber würde sie ein Fass Tinte austrinken. Sie würden nur ständig über Männer und Geld reden und abends Ewigkeiten brauchen, um sich fürs Ausgehen fertig zu machen. Allein der Gedanke war Flick unerträglich. Vielleicht sollte sie mit ihrer Mutter irgendwohin fahren, aber auch das waren trübselige Aussichten.
Sie bog in ihre Straße ein und beschleunigte ihre Schritte bei dem Gedanken an ein Glas gutgekühlten Wein. Fast schon konnte sie den kühlen Pinot Grigio auf der Zunge spüren. Ihr fiel auf, dass die Blumen in den Kästen, über die sich Ben so abfällig geäußert hatte, tatsächlich dringend gegossen werden mussten. Als sie den Schlüssel ins Schloss schob, hörte sie, wie ein Wagen hinter ihr mit quietschenden Reifen aus einer Parklücke schoss und die Straße hinunter verschwand. Sie wandte sich um, zu spät, um noch das Nummernschild erkennen zu können, doch trotz ihrer mangelnden Kenntnis über Fahrzeugtypen war sie sich ziemlich sicher, dass es sich um einen dunkelblauen BMW gehandelt hatte.
Noch bevor sie die Augen öffnete, sogar noch bevor sie wirklich aufgewacht war, wusste Georgie, dass es schon wieder regnete. Was sonst? Es hatte seit ihrer Ankunft fast ununterbrochen gegossen. Das war vor
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