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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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erblickte, auf dem in weißen Buchstaben stand: John Dee House.
    » Hier ist es«, sagte er.
    » Das Haus von John Dee?«
    Sein Cherubgesicht umspielte ein verschmitztes Lächeln. Martin war an dem Tag allerbester Laune. Ich erkannte es an den Grübchen, die sich beim Lachen abzeichneten, und auch an den Blicken, die er mir zuwarf.
    » Komm schon! Worauf wartest du noch?«, drängte er mich.
    Im Treppenhaus, das uns in den ersten Stock führte, nahmen wir immer zwei Stufen auf einmal. Als ich die weitläufigen, hellen Flure sah, entspannte ich mich. Sollte einmal ein Nekromant an diesem Ort gelebt haben, so zeugte jetzt keine Spur mehr davon. Ich wollte gerade einen Kommentar darüber abgeben, als vor uns eine der Wohnungstüren aufging.
    » Martin! Junge!«
    Eine sorgfältig geschminkte, gepflegte Dame um die 60 mit halblangen dunklen Haaren, die eine lange schwarze Bluse und Glitzersteinsandalen trug, warf sich meinem Verlobten in die Arme.
    » Wir haben dich schon erwartet!«
    » Sheila, heiliger Gott! Wie lange ist das her! Du siehst großartig aus!«
    Die Umarmung von Martin und Sheila Graham– ihr Name stand auf einem vergoldeten Schild mit zwei Engeln, das an ihrer Wohnungstür hing– nahm und nahm kein Ende.
    » Und das ist bestimmt…«
    » Julia«, vervollständigte Martin eifrig ihren Satz. » Ab morgen, liebe Tante Sheila, meine frischgebackene Ehefrau.«
    » Schöne rote Haare«, sagte Sheila anerkennend und röntgte indessen mit ihrem Blick mein gemustertes Kleid und meine frisch epilierten Beine. » Gute Wahl, Junge.«
    Ich fand das amüsant, wirklich.
    Sheila sprach wie der Gralshüter in Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, bevor er Harrison Ford den Holzkelch überreicht. Wie in dem Film schenkte sie mir ein verschwörerisches Lächeln, ehe sie uns in einen langen, nur schwach beleuchteten Flur geleitete. Die Wohnung war fabelhaft. Wir kamen an Regalen vorbei, die sich unter der Last von alten Büchern bogen, bis wir einen abgeschiedenen Raum erreichten, der gemütlich und hell war und zur Straße ging. Dort erwartete uns ein fülliger Mann, der jünger als Sheila wirkte, mit rosiger Haut sowie lockigem Vollbart und lockigen Haaren. Er rekelte sich in einem alten Ohrensessel. Als er uns sah, blickte er von dem Buch hoch, das er gerade las, und gewährte uns ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit.
    » Hallo«, begrüßte er mich wortkarg. » Setz dich, wo du magst, Darling.«
    ›Darling?‹
    Die Gralshüterin übernahm die Honneurs. Dieser Seelöwe auf seinem uneinnehmbaren Felsen hieß Daniel. » So wie der Prophet«, stellte sie fest. » Daniel Knight.«
    » Und wenn du denkst, dass ich eine Harpyie bin, die sich einen zwanzig Jahre jüngeren Lover zugelegt hat, hast du dich gründlich getäuscht, meine Liebe.«
    Genau davon war ich ausgegangen, also wurde ich rot. Beschämt verwarf ich den Gedanken, während Martin und Sheila in einem anderen Raum damit beschäftigt waren, etwas zu trinken aufzutreiben.
    Ich saß neben Daniel, der wieder in seine Lektüre versunken war, und verbrachte die Zeit damit, mich in dem Zimmer umzusehen. Es maß ungefähr 20 Quadratmeter und war in zwei Bereiche aufgeteilt: einen zum Essen und einen zum Wohnen. Der lange Tisch in der Mitte und die Stühle mit den hohen Lehnen, die auf der nördlichen Seite aufgereiht waren, vermittelten den Eindruck, dass hier wichtige Festmahle stattgefunden hatten. Der Vitrinenschrank gegenüber dem Fenster allerdings machte mich neugierig. Beschützt hinter Glastüren lagerte dort eine Ansammlung von kuriosem Krimskrams. Ich konnte eine Panflöte erkennen, eine durchsichtige Kugel, eine lange Flöte mit einem geschnitzten Beduinengesicht, und in einer Ecke stapelten sich mehrere große Platten sowie drei oder vier schwarz lackierte Gipsfigürchen… Doch die Ecke, die wirklich meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog, befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Wohnbereichs. Die große Wand war mit Stoff bespannt und darauf prangten zahlreiche antike Stiche und alte Fotografien. Auf einigen erkannte ich die etwas jüngere Sheila, eine überaus attraktive Frau. Sie posierte darauf an Orten von historischer Bedeutung in Großbritannien, die sogar mir als Ausländerin ein Begriff waren: der Turm von Glastonbury, der in so vielen Büchern über König Artus erwähnt wird, die Fassade des Britischen Museums, die Steine von Stonehenge, und sogar die sanften Hügel der Grafschaft Wiltshire mit einem ihrer weißen Pferdebilder. Für

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