Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra

Vom Netzwerk:

diese Aufnahme hatte Sheila sich mit mehreren Hippies ablichten lassen, die in weißen Umhängen steckten und ungewöhnliche Stäbe in Händen hielten, während sie in die Kamera lächelten.
    » Das sind Druiden, Darling«, knurrte Daniel, als ich zu der Wand ging, um das Foto näher zu betrachten. » Einer von ihnen ist John Michell.«
    » Druiden, ah ja«, wiederholte ich naiv. Ich hatte keinen blassen Schimmer, über wen er da sprach. » Darf ich fragen, womit sich Sheila beschäftigt?«
    Daniel sah von seinem Buch auf.
    » Hat dir das dein Verlobter nicht gesagt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Wir sind Okkultisten, Darling.«
    » Okkultisten?« Ich bemühte mich, nicht überrascht zu wirken, während ich mich fragte, ob er womöglich » Okulisten« gesagt hatte. Manchmal spielte mir mein Englisch üble Streiche.
    » Okkultisten«, beharrte er. » Wir gehören zu den besten Okkultisten.«
    Daniel wartete auf die Reaktion auf seine Antwort. Vermutlich verlangte meine Miene lautstark nach weiteren Details, doch dieser kräftige Mann ließ mich weiter zappeln. Schließlich enthüllte mir Martin, der mit einem Tablett voller Gebäck witzige Kunststücke vollführte, wer unsere Gastgeber tatsächlich waren.
    » Julia, Daniel Knight verdient sich seinen Lebensunterhalt beim Königlichen Observatorium in Greenwich. Er ist Astronom. Außerdem ist er derzeit der beste Experte für John Dee. Er hat gerade ein Buch veröffentlicht, in dem er die Methoden darstellt, mit denen Dee mit den Engeln kommunizierte. Derzeit lernt er die Sprache, in der sie redeten. Möchtest du ein Stück Baklava?«
    » Martin, waren wir uns nicht gerade darüber einig geworden, dass Dee ein Wissenschaftler war?«, fragte ich ironisch zurück, während ich mir eines dieser köstlichen Gebäckteile vom Tablett nahm.
    » Das war er doch auch! Er war ein bedeutender Wissenschaftler! Aber weißt du, in der Renaissance hatte man ein anderes Konzept von Wissenschaft als wir heute. So verdanken wir den Alchimisten jener Zeit grundlegende Erkenntnisse. Paracelsus, zum Beispiel, führte Experimente als Methode in die Medizin ein. Robert Fludd, ein berühmter Schriftsteller und Rosenkreuzer des 17 . Jahrhunderts, erfand das Barometer, und ein flämischer Alchimist, Johan Baptista van Helmont, führte die Heilwirkung von Reliquien auf magnetische Kräfte zurück…«
    » Ja, das stimmt alles, Martin«, pflichtete der Bärtige begeistert bei.
    » Bitte, Daniel, du musst sie überzeugen. Julia glaubt mir einfach nicht, wenn ich ihr sage, dass es eine okkultistische Geschichte der Welt gibt, die genauso wichtig oder vielleicht noch wichtiger ist als die, die wir in der Schule lernen.«
    Zum ersten Mal leuchteten die Augen des Astronomen erregt auf.
    » Sehr gern«, akzeptierte er erfreut die Aufgabe. » Ich werde es versuchen. Aber zunächst musst du wissen, Darling, dass bis zur industriellen Revolution die Menschen, die in diesem Land wissenschaftlich tätig waren, sich eher mit spirituellen Themen als mit Fragen der Materie befassten. Nehmen wir nur Isaac Newton. Er stellte seine gesamten Kenntnisse in den Dienst der Rekonstruktion des Salomonischen Tempels. Seine Schriften belegen sein Anliegen, den einzigen heiligen Raum der Antike wiederherzustellen, in dem man ›von Angesicht zu Angesicht‹ mit Gott sprechen konnte. Principia mathematica, sein Hauptwerk, mit dem ihm ein Platz in der Geschichte der Wissenschaft gebührt, war in Wahrheit für ihn selbst gar nicht so wichtig. Für ihn war diese Schrift nur der Weg zu einem höheren Ziel: Er glaubte, dass Gottes Sprache auf Ziffern beruhte und dass man Mathematik lernen musste, um mit Gott zu sprechen.«
    » Er wollte wirklich den Salomonstempel wieder aufbauen?«, fragte ich, bevor ich erneut in das Gebäck biss, das sich als eine Kalorienbombe aus Honig und Nüssen erwies.
    » Isaac Newton schrieb sogar darüber«, erläuterte Daniel. » Wir bewahren seine Aufzeichnungen auf. Sie alle beweisen seine Bemühungen, mit dem großen Architekten des Universums in Verbindung zu treten. Für ihn schien dieser Tempel eine Art Telefonzentrale zu sein, von der aus man Gott anrufen konnte.«
    » Also, nach dem, was Martin sagt, schien Dee dieses Ziel eher erreicht zu haben als Newton. Zumindest kommunizierte Dee mit den Engeln«, ergänzte ich und lächelte.
    » Lass dich nicht täuschen, Julia. Sir Isaac Newton glaubte mehr an Engel als irgendjemand sonst.«
    Ich wurde rot.
    » Ich wollte dich nicht