Die Rache der Flußgoetter
Jahre.«
Ich hielt es für wahrscheinlicher, daß er so reich geworden war, daß niemand, der den Posten wollte, bei den Bestechungsgeldern mithalten konnte, die er den Censoren zahlte. Doch das nahm ich ihm nicht übel. Nach allgemein gängigen Maßstäben war er ein ehrlicher Mann, und die Erhebung der Flußzölle war eine zu wichtige staatliche Aufgabe, um sie einem ahnungslosen Laien zu überlassen.
»Wieviel Zeit bleibt uns deiner Meinung nach noch, bis die tiefergelegenen Viertel der Stadt überflutet werden?«
Er rieb das Kinn. »Es gibt Männer, die vorhersagen, daß die Uferpromenade morgen früh knöcheltief unter Wasser stehen wird, deswegen packe ich meine Sachen noch heute abend zusammen. Übermorgen könnte die Flut den Viehmarkt und den Circus erreicht haben. Ich persönlich glaube nicht, daß es so schnell gehen wird, aber ich gehe lieber kein Risiko ein.« »Das ist sicher klug. Was ist mit den Lagerhäusern und Booten?«
»Die Fährleute wissen schon seit mehr als einem Jahr, daß diese Flut kommen würde. Sie haben Vorkehrungen getroffen:Die Waren sind höher als gewöhnlich gelagert. Obwohl man wohl nicht verhindern kann, daß alles, was aus Holz ist, mit den Fluten davontreibt.« Er zuckte erneut die Achseln. »Nichts, was sich nicht ersetzen ließe. Für die Stadt selbst«, er wies mit dem Daumen auf die Stadtmauer hinter sich, »bin ich nicht verantwortlich, Herr. Aber ich hoffe, dein Haus liegt auf einem Hügel.«
»Hoch genug jedenfalls«, erklärte ich ihm. Irgend etwas spukte in meinem Hinterkopf herum, irgendeine Angelegenheit, die ich bei den Werften hatte klären wollen. Das war; mein zur Zeit größtes Problem: Zu viele Dinge bedrängten mich und verlangten meine Aufmerksamkeit, aber schließlich fiel es mir doch noch ein.
»Kennst du einen Schiffseigner namens Lucius Folius?«
»Aber gewiß. Ich habe gehört, er ist bei dem Einsturz der Insula gestern ums Leben gekommen.«
»So ist es. Mit ihm starben seine Frau und sein gesamter Hausstand. Hat irgend jemand hier in seinem Namen gehandelt, ein Agent oder Partner? Irgend jemand muß doch sein Geschäft übernehmen.«
»Bis jetzt ist noch niemand aufgetaucht, aber das wird in jedem Fall eine Weile dauern. Ich weiß, daß er flußabwärts in Ostia einen Vertreter hatte, der den Überseehandel abgewickelt hat. Alle Unternehmen der Flußschiffahrt haben ihren Hauptsitz in Ostia. Und aus Ostia wird, wie gesagt, eine ganze Weile nichts und niemand mehr flußaufwärts kommen.« »Er kann schließlich auch die Straße nehmen. Ich werde ihm eine entsprechende Vorladung zustellen lassen. Ich habe Fragen bezüglich Lucius Folius, die beantwortet werden müssen. Was für Geschäfte hat er betrieben? «
»Hier in Rom hauptsächlich Fracht jeder Art: Sklaven, bearbeitetes Metall, Öl, hin und wieder auch Vieh oder zahlende Passagiere. Vor allem leichte Ladung. Rom führt sehr viel mehr ein als aus.«
»Und was hat er eingeführt?«
»Er hatte einige Fischkähne. In Rom wird unglaublich viel Meeresfisch konsumiert. Dazu die üblichen Weine und exotischen Sklaven für die gehobenen Haushalte. Er hat auch sehr viel Ware entlang des Flusses aufgekauft. Ich würde schätzen, daß die Hälfte der von ihm importierten Güter aus Lagerhäusern zwischen hier und Ostia stammte.«
»Du meinst landwirtschaftliche Produkte?«
»Hauptsächlich. Und Baumaterialien.«
Ich spürte das altvertraute Kribbeln im Nacken, und meine Mundwinkel verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln.
»Baumaterialien, sagst du?«
»Auf jeden Fall. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, er hätte ein Monopol auf das Zeug gehabt. Vieles kommt auch auf dem Landwegdurch die Stadttore. Aber ich würde wetten, daß mehr als die Hälfte aller Baumaterialien, die Rom per Schiff erreichten, Bauhölzer, Backsteine, Dachziegel, Sand, Mörtel und dergleichen, in seinen Lastkähnen kamen.«
»Fels? Marmor? Blei und Bronze für Dächer?« Ogulnius schüttelte den Kopf. »Nein, die werden vor allem für die großen öffentlichen Bauprojekte verwendet - Tempel, Säulenhallen und Restaurierungsarbeiten. In den letzten zehn Jahren sind neunzig Prozent dieser Materialien in den Bau von Pompeius' großem Theater mit angrenzendem Gebäudekomplex auf dem Marsfeld geflossen. Mächtige Männer wie Pompeius schließen für derlei Arbeiten meist unabhängige Verträge mit Unternehmern ab, setzen ihre eigenen Sklaven und Freigelassenen ein und kaufen direkt bei den Steinbrüchen. Ich
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