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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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er nirgends zu sehen. Ich begann die Unglücksstelle ab zu suchen und malte mir dabei eine angemessene Bestrafung für ihn aus.
    Schließlich fand ich ihn in der Nähe eines Schuttkarrens, der mit Holzpfählen beladen war. Er vertrieb sich die Zeit mit einer uralten römischen Beschäftigung: er ritzte seinen Namen in die Pfähle. Jede Mauer, jedes Denkmal und jeder Baum in Rom kündet von den Segnungen der fortschreitenden Alphabetisierung. Graffiti ist die einzige Kunstform, die wir nicht von den Griechen oder Etruskern geklaut haben.
    »Übst du deine Fähigkeiten als Schreiber, Hermes?« fragte ich.
    Er klappte sein Messer zusammen und steckte es unter den Gürtel seiner Tunika, ohne sich von meinem drohenden Ton sonderlich beeindruckt zu zeigen. »Das ist junges Holz«, sagte er und tippte auf seinen frisch eingravierten Namenszug. Ich mußte zugeben, daß er die Buchstaben mit einiger Präzision geschnitzt hatte. Aus den Furchen rann tropfenweise Harz.
    »Tatsächlich? Ich habe mich gefragt, wie ein aus neuen Materialien erbautes Haus einstürzen kann, aber ich lerne langsam, daß es in der Zunft der Bauunternehmer viele kleine, schmutzige Geheimnisse gibt.«
    »Mit so jungem Holz soll man nicht bauen«, fuhr er fort.
    »Wirklich?« Meine einzige Erfahrung mit Bauarbeiten hatte ich in der Legion gemacht, bei Brücken und Befestigungsanlagen, für die man jedes Holz verwendete, das gerade zur Verfügung stand, in der Regel frisch geschlagenes.
    »Es muß erst altern und austrocknen. Frisches Holz verbiegt und verfault zu leicht, von dem Harz ganz zu schweigen. Das läßt ein Gebäude brennen wie einen Töpferofen.«

    »Was du nicht sagst. Irgend jemand wird eine Menge Spaß damit haben, diese Leute an zuklagen.« Ich war nicht wirklich so beschränkt, sondern bloß abgelenkt. Meine Gedanken kreisten noch immer um die Heirat von Metellus Scipios Tochter mit Pompeius und die möglichen Implikationen. Sollte es zum Bruch zwischen Caesar und Pompeius kommen, könnte die Familie verlangen, daß ich mich von Julia scheiden ließ.
    Was sollte ich dann tun? Ich bemerkte, daß Hermes seinen Namen in alle Pfähle auf dem Wagen geritzt hatte.
    »Ich wußte, daß es ein Fehler war, dir dieses Messer zu schenken.« Es war ein Saturnalien-Geschenk von vor ein paar Jahren, eine feine gallische Klinge mit raffiniertem Gelenk, so daß man sie in den Knauf klappen konnte. Die Klinge war nicht länger als eine Hand breit, so daß man mich nicht der Bewaffnung eines Sklaven bezichtigen konnte. »Vermutlich erfüllt es dich mit einer gewissen Befriedigung zu wissen, daß dein Name am Grund einer zugeschütteten Abfalldeponie unsterblich bleiben wird.«

    Er lächelte. »Irgendwo muß ich doch üben. Du läßt mir nie genug Zeit.«
    »Du hast doch in deinem ganzen Leben noch keinen einzigen Tag ehrlich gearbeitet, du Halunke.« Hermes war damals ein gutaussehender, strammer junger Bursche von Anfang Zwanzig, sonnengebräunt und durch seine Zeit mit mir auf dem Feldzug in Gallien und sein fast tägliches Training in einer römischen ludus in bester Kondition. Er war stets ein eifriger Schüler gewesen, was den Umgang mit Waffen anging, doch seine Begeisterung für das Schreiben war neu. Er besaß eine naturgegebene Intelligenz, die seine vielfältigen kriminellen Neigungen aufs trefflichste ergänzte.
    »Hier sind noch mehr Leichen!« rief der Sklave.
    »Jetzt kommen sie zu den Wohnungen der Reichen«, bemerkte Hermes.
    »Dann wollen wir mal sehen, wen wir da haben.« Gemeinsam gingen wir zu dem Trümmerfeld, das mehr und mehr einer Grube ähnelte, nachdem der Schutt vom Dach und den oberen Stockwerken abtransportiert worden war. Das Erdgeschoß war in den Keller gebrochen. Wie in den meisten derartigen Häusern war nur das Erdgeschoß mit Wasserleitungen versorgt, die unmittelbar nach Einsturz des Gebäudes abgestellt worden waren. Trotzdem stand das Wasser im Keller etwa zwei Fuß hoch, und es schwamm bereits allerlei Unrat darin herum.
    Die Sklaven reichten den Arbeitern die Leichen hinauf. Bei den meisten handelte es sich natürlich um Sklaven, denn der Haushalt eines reichen Mannes umfaßt immer weit mehr Sklaven als Familienmitglieder. Die meisten Leichen waren ganz oder teilweise unbekleidet, da das Unglück passiert war, als die Hausbewohner noch geschlafen hatten. Wenn beide nackt sind, kann es durchaus schwierig sein, einen Sklaven von einem armen Freien zu unterscheiden, wohingegen es selten ein Problem ist, Sklaven und

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