Die Rache der Flußgoetter
ist etwas, was ich bei Kopien von hoher Qualität schon gesehen habe, aber schau mal hier.« Julia ging ebenfalls in die Hocke, um das von Fausta hervorgehobene Detail näher zu begutachten. »Sieh dir Pans Hodensack an, jedes kleine Fältchen ist kunstvoll gemeißelt. Nur ein wahrer Meister verwendet so viel Sorgfalt auf Feinheiten an Stellen, wo normalerweise niemand hinguckt.« Typisch Fausta, so etwas zu bemerken.
»Und die Zehennägel sind nicht aus Marmor, sondern aus nachträglich aufgetragenem Alabaster.« Sie erhob sich. »Wenn ich mich nicht irre, han-delt es sich um das Original von Aphrodite gurtet ihre Sandale von Aristobulus dem Zweiten.
Soweit ich mich erinnere, wurde sie von einem der seleukidischen Monarchen in Auftrag gegeben, Antiochus Epiphanes oder einer von denen.« »Wie ist sie hier gelandet?« fragte ich. So leichtgläubig wollte ich ihre Einschätzung nicht akzeptieren. Fausta gab gerne an und tat so, als ob ihr Wissen über Kultur umfassend war. Sie hätte sich die ganze Geschichte genauso gut ausdenken können.
»Wenn man bedenkt, aus welchem Teil der Welt diese Statue kommt, könnte sie sich zuletzt im Besitz des alten Mithridates befunden haben, und ein Großteil dessen Besitzes hat Lucullus mit nach Rom gebracht. Aber seit der Eroberung Griechenlands ist der Orient schon seit etlichen Jahren unsere größte Quelle griechischer Kunst. Vielleicht hat Gabinius sie erbeutet oder auch Pompeius. Mein Vater kann es nicht gewesen sein. Er hätte sie behalten. Aber vielleicht hat einer unserer Statthalter die Statue einer Provinz abgepreßt, oder sie wurde einem Prokonsul als Bestechung übergeben. Wer weiß? Vielleicht hat sie auch ein fahrender Kaufmann als Spekulationsobjekt gekauft.« Eine schlichte kommerzielle Transaktion fiel einer Tochter Sullas natürlich als letztes ein. »Ich muß Aurelia benachrichtigen«, sagte Julia. »Sie kann das wahrscheinlich erklären.« Fausta musterte mich mit tausend Jahren von patrizischen!
Zynismus im Blick. »Ach, ich weiß nicht. Ein Adile ist in einer Position, in der er eine Reihe solcher Geschenke erwarten kann.«
Ich ließ diese Beleidigung unbeantwortet, weil sie in meinem Hinterkopf ein Kribbeln ausgelöst hatte und ich nicht wollte, daß meine Antipathie gegen diese Frau mich ablenkte. Trotz Faustas Verachtung für mich war sie eng mit Julia befreundet.
Julia konnte wiederum meinen langjährigen Freund Milo nicht ausstehen, so daß sich am Ende alles wieder ausglich.
»Aber wohin sollen wir sie stellen?« fragte Julia, während sie sich aufrichtete und ein paar Blätter von ihren Händen klopfte.
»Ich würde sie nicht bewegen, bis ich sie unter verschiedenen Lichtverhältnissen betrachtet habe«, riet Fausta. »Dann mußt du sie dort aufstellen, wo das günstigste Licht auf sie fällt, aber auf jeden Fall unter einem Dach, um die Politur nicht zu zerstören.
Derartig exquisite Kunstwerke waren nie zur Aufstellung unter freiem Himmel gedacht.« Das klang absolut vernünftig.
»Ich finde, wir sollten sie gar nicht in diesem Haus aufstellen«, sagte Julia. »Wir sollten sie zu dem Landgut bei Fidenae bringen und einen kleinen Tempel bauen; vielleicht einen runden im italienischen Stil mit schlanken ionischen Säulen und einem Kreis von Pappeln darum.« Sie wandte sich mir zu. »Wenn wir es noch in diesem Sommer anlegen, wer-den die Pappeln hoch gewachsen sein, bis du das Anwesen erbst.«
»Das klingt gut«, meinte ich. »Ich werde mit meinem alten Herrn darüber reden, ich bin sicher, daß er keine Einwände hat.«
Doch ich selbst hatte ob seiner trüben Herkunft bereits Vorbehalte gegen dieses wunderschöne Kunstwerk. Ich war mir ganz und gar nicht sicher, daß es mir als eine freundliche Geste übersandt worden war. Ich kehrte in mein Arbeitszimmer zurück; neue Verdächtigungen bedrängten mein ohnehin überlastetes Hirn.
Ich habe Männer gekannt, die von ihrem Argwohn so abgelenkt waren und überall Intrigen und Verschwörungen witterten, daß sie handlungsunfähig wurden. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich, daß ich mich diesem lähmenden Zustand näherte. Um mich zu beruhigen, nahm ich die beiseite gelegte Schriftrolle wieder zur Hand und studierte sie sorgfältig. Sie war in der krakeligen Handschrift eines Beamten verfaßt, der diese Aufgabe ganz offensichtlich selbst erledigt hatte, anstatt sie an einen Sekretär zu deligieren. Junge Römer, denen eine öffentliche Karriere vorherbestimmt ist, werden zwar in Rhetorik
Weitere Kostenlose Bücher