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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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jeden öffentlichen Platz innerhalb der Stadtmauern beengten, von Obstbäumen in riesigen dekorativen Kübeln gesäumt war. Das Gebäude war vier Stockwerke hoch und grellrot gestrichen. Die meisten umliegenden Häuser beherbergten kleine Tavernen und Gasthäuser für Fährleute sowie ausländische Besucher, die vor den hohen Preisen und dem allgemeinen Elend auf dem gegen über liegenden Ufer geflüchtet waren. Das Zeichen, an dem man erkannte, daß man den richtigen Ort gefunden hatte, war auf der ganzen Welt berüchtigt. Das Labyrinth war nach dem Irrgarten unter dem Palast des Minos benannt, das Zeichen selbst war eine Statue der verrufenen Königin jenes Palastes, der unersättlichen Pasiphae. Die meisten werden sich erinnern, daß diese Königin auf Betreiben Poseidons eine unschickliche Leidenschaft für einen außergewöhnlich schönen Bullen entwickelte, den ihr Mann Minos den Göttern als Opfer verweigert hatte. Pasiphae ersuchte Daedalus um Hilfe beim Vollzug dieser schwierigen Lust, was jener dadurch bewerkstelligte, daß er eine lebensgroße Kuh aus Holz konstruierte, in der sich die Königin verbarg. Der Bulle wurde getäuscht, die Königin vermutlich befriedigt, das Resultat war jedenfalls die Geburt des bullenhäuptigen Minotaurus.
    Die Skulptur bildete diese bizarre Kopulation ab, wobei die künstliche Kuh mit zwei an der Stirn der Königin befestigten Hörnern und gespaltetenen Hufen, die ihre Hände und Füße bedeckten, nur symbolisch dargestellt war. Ansonsten war die sinnliche Königin nackt und der Bulle mehr als realistisch gehalten. Beide Figuren waren lebensgroß, die Skulptur bis ins feinste Detail ausgearbeitet. Mein Tag entwickelte sich zu einer ausgedehnten Kunstlektion.»Kommt rein, meine Lieben, kommt rein!« säuselte eine Frau mit blonder Perücke und flammend rotem Gewand. In dem gedämpften Licht brauchte ich einen Augenblick, um zu erkennen, daß sie in Wirklichkeit ein Mann war. »Das Labyrinth hat etwas für jeden Geschmack!« Wie die Person selbst aufs anschaulichste verdeutlichte. Wir folgten einer gemischten Gruppe in das Gebäude. Hier drinnen machte sich niemand Sorgen wegen einer albernen kleinen Flut.
    Wir kamen durch einen von Nischen gesäumten Tunnel. In jeder Nische brannten Kerzen, die kleine Skulpturen von Paaren und Gruppen in den verschiedensten Stellungen ekstatischer Kopulation beleuchteten. Über der Nische stand in lateinischer und griechischer Schrift der Name der jeweiligen Variante. So konnte man seine Wahl treffen und seine Leidenschaft benennen, wenn man mit der Geschäftsführung dieses freizügigen Unternehmens verhandelte.

    Der Tunnel führte auf einen riesigen Hof mit Tischen, umgeben von den Galerien der drei oberen Stockwerke. Zwischen dem Hof und den oberen Etagen herrschten ein reges Kommen und Gehen. Huren beiderlei Geschlechts führten ihre Freier, ebenfalls beiderlei Geschlechts, vor allem jedoch Männer, in die Kammern, die die Geschäftsleitung umsichtigerweise zur Verfügung stellte.
    Überall brannten Fackeln in Wandleuchtern, Laternen auf Ständern und Hunderte von Kerzen. Dies war ein Ort, an dem die in Rom ansonsten eher seltenen Kerzen geradezu verschwenderisch benutzt wurden. In ihrem Licht sah ich, daß auch die Innendekoration wie die Statue vor der Tür den Mythos von Theseus und dem Minotaurus in gewisser Weise wieder aufnahm. Die Legende berichtet, daß die Athener ihm jedes Jahr einen Tribut entrichten mußten: Sieben Knaben und sieben Mädchen wurden dem Minotaurus ausgeliefert. Die Legende geht nicht näher darauf ein, was der Minotaurus mit diesen Knaben und Mädchen angestellt hat, doch die Wandgemälde ließen daran keinen Zweifel. Obwohl von menschlicher Gestalt hatte der Minotaurus offenbar nicht nur den Kopf seines Vaters geerbt. »Wie dürfen wir euch unterhalten?« Eine junge Hure war auf uns zugetreten, die außer ihrem reizenden Lächeln kaum etwas trug.
    »Wenn wir noch irgendwas bewerkstelligen wollen«, sagte ich, »müssen wir zunächst etwas essen. Danach können wir über kräftezehrendere Unterhaltungsvarianten reden.«
    »Hier entlang.« Wir folgten ihrem glänzenden weißen Po zu einem kleinen Tisch in einer Ecke. Auf dem Weg dorthin ließ ich den Blick über die zwar ziemlich laute, ansonsten aber recht geordnete Gästeschar schweifen.
    Neben den Professionellen sah ich nicht nur Fährleute und ausländische Besucher, sondern auch einige Senatorenkollegen, die sich nicht die geringste Mühe machten, ihre

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