Die Rache der Flußgoetter
Tänzerin, sondern auch eine Akrobatin und Verrenkungskünstlerin, eine Kombination, die mir schon immer gefallen hat.
»Ädile, hörst du mir zu?« Andromeda schwenkte ihre Finger vor meinen Augen.
»Ha? Natürlich. Ich war nur ein wenig abgelenkt, das ist alles.«
Sie lachte. »Sie sind in der Tat ein ablenkender Anblick. Das ist die Truppe von Eschmoun, die älteste aller Tanztruppen aus Gades. Sie sind unterwegs zu einem Auftritt bei den großen Dionysia in Athen, anschließend werden sie am Hofe des Ptolemaois gastieren und dann nach Iberien zurück kehren. Die Schönheit, die jetzt zuoberst liegt, heißt Yeroshabel und gilt als beste Tänzerin der Welt.«
»Das glaube ich gern«, sagte ich. Meine Kehle war eigenartig trocken, und ich trank einen großen Schluck Wein, um sie zu befeuchten. Ich hielt mich für weltgewandter als die meisten Zeitgenossen, und ich hatte auch schon einmal Tänzerinnen aus Gades gesehen, aber diese Frauen veranstalteten die schockierendsten orgiastischen Verrenkungen, derer ich je ansichtig wurde. Das Seltsame war, daß dieses pantomimisch dargeboten wurde, allerdings ohne die breiten, übertriebenen Gesten, die man sieht, wenn Römer dieser Kunst frönen. Die Gesichter der Frauen blieben erhaben wie die Antlitze in Stein gehauener Musen, ihre Bewegungen hatten eine schwanenartige Grazie, und bei all dem passierte im Grunde gar nichts, wenn man genau genug hinsah (was ich tat). Sie ließen einen einfach nur mit dem Eindruck zurück, man habe einen Blick auf etwas getan, was sonst nur Götter betrachten sollten, ohne mit Blindheit geschlagen zu werden.
Als der Auftritt beendet war, sprang ich auf und applaudierte so stürmisch wie alle anderen. Selbst die hartgesottensten Huren waren starr vor Bewunderung, und ich trug Hermes auf, ein paar Münzen auf die Bühne zu werfen, was er mit großem Eifer ausführte, bevor die Tänzerinnen entschwinden konnten.
Ich nahm wieder Platz. »Nun, wo waren wir stehen geblieben?«»Möchtest du Yeroshabel kennenlernen? Ich könnte das arrangieren«, sagte Andromeda.
»Das verbietet mir leider die Pflicht, von meiner Frau ganz zu schweigen. «
»Das tun die meisten Männer nicht«, sagte sie. »Was tun sie nicht?« fragte ich, von dem Spektakel noch immer leicht verwirrt. Der Wein konnte es jedenfalls nicht gewesen sein.
»Ihre Frauen erwähnen, meinst du? Vermutlich nicht. Nun, meine Frau ist eine Nichte Caesars, und sie teilt viele seiner Eigenschaften.«
Sie pfiff leise. »Bei so einer Frau wäre ich ebenfalls vorsichtig. Caesar ist auch schon mein Gast gewesen. Einer der besten sogar.«
»Das kann ich mir vorstellen«, versicherte ich ihr, inzwischen vollkommen entspannt in Gegenwart dieser Frau. Aber ich nehme an, es war ihr Beruf, eine angenehme Gesellschafterin zu sein.
»Er kam in der Regel hierher, wenn er wichtige ausländische Gäste hatte. Meistens in größeren Gruppen. Er sorgte dafür, daß sie sich amüsierten, aber seine eigene Leistung konnte sich nicht mit dem Ruf messen, der ihm vorauseilt, wenn du weißt, was ich meine.«
»Oh, vermutlich hatte er nach der übermäßigen Inanspruchnahme durch all die Senatorengattinen nicht mehr allzuviel Kraft übrig.« Irgendwie hatte ich das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen.
»Ich glaube, ihn erregt nur die Macht«, entgegnete Andromeda. »Er macht sich nichts aus Speisen, Wein oder Bequemlichkeit, mußt du wissen, trotz seines Rufes als Lebemann.«
»Ich kenne ihn besser als die meisten«, bestätigte ich verdrießlich. »Ich war mit ihm in Gallien.«
»Mit Frauen und Knaben ist es dasselbe«, fuhr sie fort. »Er macht zwar aus Höflichkeit mit, aber ich habe immer das Gefühl, daß er dabei an die anstehende Wahl denkt oder seinen nächsten Feldzug plant.«
»Du hast ein gutes Auge für Männer, Andromeda.« Auch ich war ständig auf der Suche nach nützlichen Kontakten. Mir kam der Gedanke, daß diese Frau in einer einzigartigen Position war, Vertrauliches über heimische oder in der Stadt zu Gast weilende bedeutende Männer zu erfahren. Manche Menschen meinen, daß Informationen aus derartigen Quellen unter der Würde eines römischen Beamten sind, aber ich habe das nie so gesehen. »Wie lange würde ich mich wohl halten, wenn ich das nicht hätte?« Sie schien genauso zu denken wie ich. Nun, wir waren beide auf der Höhe unserer Profession. »Ein Mann, der wie du auf dem Weg nach oben ist, sollte solche Dinge wissen. Du begreifst sicher, daß ich bei gewissen Gästen
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