Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
vergessen. Adela musste eine wirklich besondere Frau sein, da der Freund sie so sehr geliebt hatte.
Während seines Vortrages beobachtete Simon Marjorie unauffällig. Scheinbar gelassen plauderte sie mit ihren Gästen. Doch einmal hatte sie ihren Löffel fallen gelassen, und nun zitterte ihre Hand, die den Weinkelch hielt. Wird sie ihr Versprechen halten – oder wird sie mich und meine Begleiter verraten?, fragte sich Simon. Doch er hatte seine Entscheidung getroffen und konnte sie nun nicht mehr zurücknehmen.
Mittlerweile hatte Herbert seinen Auftritt absolviert. Er hatte mit seinen vier Bällen recht geschickt jongliert, keinen fallen gelassen und erntete freundlichen Applaus. Nun trat Peter vor, nahm Anlauf, sprang mit beiden Beinen vom Boden ab und schlug einen Salto in der Luft. Auch die nächsten beiden Kunststücke gelangen ihm. Doch bei seinem vierten Sprung kam er nicht hoch genug in die Luft und landete, während Mervin einen völlig falschen Ton spielte, mit seinem Hintern auf dem Steinboden. Doch Peter besaß die Geistesgegenwart, die Hände so gespielt verschämt vors Gesicht zu schlagen, dass die Leute dachten, der Sturz wäre Absicht gewesen, und in Lachen ausbrachen.
Während Peter zur Seite humpelte und sich sein schmerzendes Hinterteil rieb, was wieder mit Lachen und einigen ordinären Rufen quittiert wurde, trat Simon rasch vor. Er bedeutete Karl, Lewis und Anselm die Stimmung aufzugreifen. Zu viert sangen sie ein anzügliches Lied, wobei Mervin sie auf der Flöte begleitete. Das Klappern des Geschirrs, als die Platten mit den Süßigkeiten aufgetragen wurden, überdeckte dessen Misstöne.
Simon hatte noch zwei weitere, ruhigere Lieder gesungen, als Marjorie sich schließlich erhob und damit das Mahl beendete. Simon bedeutete seinen Begleitern, noch einmal vorzutreten. Er spielte einen langgezogenen hohen Akkord. Mervin blies in seine Flöte. Herbert schleuderte noch einmal seine Bälle in die Luft, und Peter wagte einen letzten Salto, der ihm nun wieder gelang. Dann verbeugten sie sich alle vor Marjorie und ihren Gästen.
Marjorie nestelte einige Münzen aus dem Beutel an ihrem Gürtel und warf sie ihnen achtlos vor die Füße. Auf dem Weg aus der Halle nickte sie Simon kaum merklich zu.
*
Simon lauschte in die Dunkelheit, während er zusammen mit Herbert über den Hof schlich. Sie hatten den Verwalter im Schlaf überrumpelt und ihn rasch überwältigen können. Mit einem Messer an seiner Kehle war er schnell bereit gewesen, ihnen zu verraten, wo er die Schlüssel aufbewahrte und welche davon zu Adelas Gefängnis führte. Es hatte Simon eine gewisse Befriedigung bereitet, den eingebildeten, unfreundlichen Kerl anschließend zu fesseln und zu knebeln.
Die Nacht war windig. Gebäude und Bäume warfen unter den jagenden Wolken im Mondlicht unstete Schatten. Endlich hatten sie Adelas Gefängnis erreicht. Im Inneren ließ Simon seine Laterne aufblitzen. Hastig stiegen sie die Kellertreppe hinunter.
Die Tür zu Adelas Kerker war die einzige, die verschlossen war. Noch während Simon sie aufzog, schlug ihm ein durchdringender Gestank in die Nase, der ihm den Magen umdrehte. Im Licht der Laterne sah er eine Frau auf feuchtem Stroh liegen. Er kniete sich neben sie und berührte sie vorsichtig an der Schulter. »Adela …«, sagte er sanft.
Erst reagierte sie nicht. Dann wimmerte sie und versuchte, von ihm wegzukriechen. »Adela«, wiederholte er sanft. »Mein Name ist Simon de Bohun. Ich bin ein Freund von Francis. Ich bin gekommen, um Euch von hier wegzubringen.« Um sie besser hochheben zu können, drehte er sie behutsam auf den Rücken. Er hörte, wie Herbert hinter ihm scharf die Luft einsog und »O Gott« murmelte.
Adelas Gesicht war mit verkrustetem Blut verschmiert, das rechte Auge war zugeschwollen, das linke tief eingesunken. Ihr Körper war so abgemagert, dass er nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Während Herbert sich am Schloss der Fußfessel zu schaffen machte, fluchte er aus Mitleid vor sich hin.
»Francis … tot …«, kam es mühsam über Adelas aufgesprungene Lippen.
»Ich weiß«, erwiderte Simon leise.
Nachdem das Schloss aufgesprungen war, hob Simon Adela so vorsichtig wie möglich hoch.
»Robin …«, flüsterte Adela plötzlich und begann sich in seinem Griff zu winden. »Robin …« Ihr entstelltes Gesicht verzerrte sich vor Furcht.
Simon begriff. »Robin ist in Sicherheit. Matilda hat sie zu sich nach Barking bringen lassen. Ihr müsst Euch keine
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