Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
unwiderstehlich findet?« Simon lachte spöttisch auf. »Ja, ich gebe zu, Ihr seid eine sehr verführerische Frau, und ich glaube schon, dass Ihr William momentan in Euren Bann geschlagen habt. Aber in ein paar Jahren wird selbst Euer betörender Körper seine Reize verlieren. Wenn William Eurer nicht schon vorher überdrüssig geworden ist, weil er eine andere, ebenso anziehende Frau gefunden hat.«
»Für wie dumm haltet Ihr mich eigentlich?«, herrschte sie ihn an. »Darüber bin ich mir im Klaren. Ich werde schon dafür sorgen, dass er mich vorher mit einem reichen Adligen verheiratet.«
»Ihr glaubt wirklich, dass William bereit ist, Euch mit einem anderen Mann zu teilen? Da schätzt Ihr ihn aber sehr falsch ein. Er ist jemand, der unbedingte Macht über Menschen ausüben will.«
Ein Schatten des Zweifels huschte über ihr kindliches Gesicht.
»Marjorie«, Simon trat näher an sie heran und verlieh seiner Stimme einen eindringlichen Ton, »bei allem, was ich über William weiß, ist er rachsüchtig weit über das normale Maß hinaus. Ja, ich halte ihn für einen Menschen, der bei klarem Verstand wahnsinnig ist. Er hat den Vater Eurer Söhne auf dem Gewissen. Ich an Eurer Stelle würde fürchten, dass er sie tötet, sobald sie in einem Alter sind, in dem sie Vergeltung für Nicolas fordern werden.«
»Nein …«, keuchte sie auf. »Das wird er nicht tun.« Also liebt sie bei all ihrer Selbstbezogenheit immerhin ihre Kinder, ging es Simon durch den Kopf. Vielleicht kann ich sie ja dadurch umstimmen.
» Ihr habt gesehen, was William Adela angetan hat …«
Tränen kullerten über Marjories Wangen. »Ich kann Euch nicht helfen …«, flüsterte sie.
»Vielleicht wird es William ja auch nicht genügen, Eure Söhne einfach zu töten. Vielleicht wird er sie ja auch vorher noch lange leiden lassen … Im Grunde genommen – auch wenn Ihr alles tut, um die Wahrheit nicht an Euch heranzulassen – wisst Ihr doch genau, wozu er fähig ist.«
Sie schluchzte verzweifelt auf.
»Marjorie … Adela steht unter dem Schutz einer hochgestellten Persönlichkeit. Wenn Ihr mir dabei helft, sie zu befreien, wird diese Person dafür sorgen, dass Ihr und Eure Söhne an einem Ort leben könnt, wo Ihr vor Williams Rache sicher seid. Außerdem wird sie sich darum kümmern, dass Ihr ein gutes Auskommen habt.« Simon hatte nicht die geringste Ahnung, ob Matilda oder Richard dazu bereit waren. Aber dies war ihm im Moment auch völlig gleichgültig.
Marjorie schniefte, ehe sie schließlich murmelte: »Was soll ich tun?«
Simon unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. »Den Wachen am Tor ein Betäubungsmittel verabreichen.« Er zog ein Fläschchen aus seinem Bündel, das Mohnsaft enthielt – eine heilkundige Schwester in Barking hatte es ihm mitgegeben, um Adelas Schmerzen zu dämpfen –, und reichte es ihr. »Geht nach der Abendmahlzeit, wenn die letzten Gäste das Anwesen verlassen haben, zu den Wachen und bringt ihnen einen Krug Wein. Ich bin überzeugt, sie werden keinen Verdacht schöpfen.«
Marjories Finger schlossen sich um das Fläschchen.
Simon registrierte, dass es draußen dunkel geworden war. Bald würde Marjorie in der Halle bei ihren Gästen erscheinen müssen.
»Noch eine Sache … Wer bewahrt den Schlüssel zu Adelas Gefängnis auf?«, fragte er hastig.
»Soviel ich weiß, der Verwalter.«
Simon ließ sich von ihr beschreiben, wo die Kammer des Verwalters lag, und schärfte ihr ein, sich und ihre Kinder, nachdem sie beim Tor gewesen war, zur Flucht bereit zu halten. Dann ließ er sie gehen.
Er wartete einige Augenblicke, ehe er nach draußen zu seinen Gefährten trat. »Es ist Zeit, dass wir uns für unseren Auftritt vorbereiten«, sagte er.
*
Sein Auftritt in der Halle von William de Thorignys Anwesen sollte Simon immer als seltsam unwirklich im Gedächtnis bleiben. Marjorie saß zusammen mit ihren Gästen, wie es üblich war, an einem Tisch auf dem Podium am Ende der Halle. Die hochrangigen Bediensteten und etwa zwei Dutzend Bewaffnete hatten ihre Plätze an den Tafeln im unteren Teil des lang gestreckten holzgetäfelten Raums. Das Licht der Fackeln und der Bienenwachskerzen tauchte die Halle in ein gelbliches Licht.
Es fiel Simon schwer, sich und seine Begleiter – seiner Rolle gemäß – mit den üblichen hochtrabenden Worten vorzustellen und dann seine ersten Lieder zu singen. Er war Adela nie begegnet. Aber den Klang von Francis’ Stimme, wenn er von ihr erzählt hatte, hatte er nie
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