Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
einem Feind in seiner Höhle sucht, verkroch er sich in einem seiner Spielverstecke zwischen den Obststräuchern. Dort rollte er sich auf dem Boden zusammen und presste die Hände gegen die Ohren, um die furchtbaren Schreie nicht mehr hören zu müssen. Irgendwann schlief er aus Angst und Erschöpfung ein.
Rauchgeruch weckte Luce. Er blinzelte. Der Himmel über den Sträuchern war dunkel. Trotzdem blendete ihn ein grelles Licht. Nun drang das laute Knacken von berstendem Holz in seine Ohren, und eine seltsame Wärme erfüllte die Luft. Als er erschrocken die Augen aufriss, sah er, dass die Scheune in Flammen stand. Funken stoben zum Nachthimmel auf. Die fremden Soldaten und der Mann, der seiner Mutter so wehtat … Nun erinnerte er sich wieder daran. Luce wimmerte.
Doch trotz seiner Angst horchte er aufmerksam. Bis auf das Prasseln des Feuers war ringsum alles still, deshalb wagte er es nach einer Weile, aus seinem Versteck zu schlüpfen. Über dem Wohnhaus waberten Rauchschwaden. Zuerst dachte Luce, es sei der Rauch des Scheunenfeuers, der bis dorthin geweht war. Doch dann erkannte er, dass sich auch in dem Strohdach Brandnester gebildet hatten. Sein Magen krampfte sich zusammen. Ob sich seine Mutter noch in der Schlafkammer befand?
Das ist alles nur ein Spiel, stellte er sich vor. Ein riesiger Drache hat die Scheune in Brand gesteckt. In dem Wohnhaus hält er eine Prinzessin gefangen, die ich und die Dorfjungen befreien müssen. Ich bin der Anführer der Schar … Luce hastete geduckt durch den Garten und in das Haus, durch den menschenleeren Wohnraum und zur Tür der Kammer. Er spähte hinein … Der fremde Mann war fort. Seine Mutter lag auf dem Bett. Ihr Gesicht war von Schlägen entstellt und ihr Körper ganz blutig.
»Mutter!« Luces schützende Einbildung zerstob. Er rannte zur ihr und umklammerte ihren Arm, der leblos vom Lager herabhing. »Mutter …«, schluchzte er.
Zu seiner grenzenlosen Erleichterung schlossen sich ihre Finger um seine, und sie drehte ihm den Kopf zu. »Luce«, flüsterte sie. Adela versuchte sich aufzurichten, sank aber sofort wieder mit einem Schmerzenslaut zurück auf das Bett. »William de Thorigny … ist er noch hier?«
»Der böse Mann ist weggegangen. Die Scheune brennt und das Hausdach auch …« Weinend zerrte Luce an ihrem Arm. »Wir müssen hinaus. Steh doch auf!«
»Warte einen Moment, mein Schatz.« Adela atmete keuchend. Luce fürchtete schon, dass seine Mutter seine Worte nicht richtig begriffen hätte oder zu schwach sei, das Bett zu verlassen. Schließlich jedoch brachte sie sich in eine sitzende Position und stellte ihre Füße auf die Dielen. Doch als sie sich hochstemmen wollte, sackten ihr die Beine weg, und sie fiel zu Boden.
»Mutter!« Verzweifelt begann Luce zu weinen.
»Luce, hab keine Angst«, hörte er sie sagen. »Ich kann nicht laufen. Aber ich kann kriechen wie eine Schlange. Siehst du …« Unendlich langsam, wie es ihm schien, schob sie sich vorwärts. Der Rauchgestank in der Kammer wurde intensiver. Im angrenzenden Raum fielen brennende Strohbüschel auf den Boden und auf den Webstuhl. Der Stoff fing Feuer. Doch es gelang ihnen, ins Freie zu kommen. Adela schleppte sich noch ein Stück über den Hof. Dann blieb sie liegen.
»Komm doch weiter«, jammerte Luce und zog an ihr. Doch sie rührte sich nicht. »Mutter, nein, nein …« Weinend warf er sich auf sie. Ein Bellen ließ ihn aufschrecken. Waren die bösen Männer etwa zurückgekehrt? Ein riesiger Hund sprang auf ihn zu. Panisch drängte sich Luce an Adela. Das Bellen ging in ein freudiges Winseln über. Als eine große, raue Zunge über seine Wange leckte, begriff Luce, dass es der Hund des Schäfers war.
»Guy …« Er schlang die Arme um den zotteligen Hals.
»Du bist das, Luce …« Die große Gestalt des Schäfers tauchte vor ihm auf. »Gott sei Dank, dass ich dich lebend finde.«
»Meine Mutter … Jemand hat ihr sehr wehgetan. Sie bewegt sich nicht mehr«, schluchzte der Junge.
»Lass mich einmal sehen.« Sanft, aber bestimmt, schob ihn Gerard zur Seite, ehe er sich neben Adela kniete. Der Wind frischte auf. Das grelle Wechselspiel aus Flammen und Schatten zuckte über den Hof. Griffen die Schatten nach seiner Mutter? Wollte die Dunkelheit sie mit sich nehmen? Luce verbarg den Kopf in Guys Fell.
»Mein Junge, deine Mutter lebt.« Er spürte Gerards Hand auf seiner Schulter. »Und nun müssen wir schleunigst von hier verschwinden. Kannst du neben Guy hergehen?«
»Ja …« Luce
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