Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
ich die Herrin und den Jungen sah.« Wieder begann Blanka zu schluchzen. Francis registrierte, dass das Kind draußen aus Freude über etwas laut quietschte. Solche hohen Töne hatte Luce auch von sich gegeben, als er ein Jahr alt gewesen war. Francis wollte weiter in die Köchin dringen. Aber er brachte kein Wort über die Lippen.
Blanka hatte die Fassung so weit wiedererlangt, dass sie, wenn auch mit Pausen, weiterreden konnte. »Kaum, dass der Anführer Eure Gattin weggeschleppt hatte, fielen die Soldaten über die jungen Mägde her. Auch uns andere quälten sie. Erst am nächsten Tag ließen sie uns schließlich ziehen. Ich bin mit einigen Knechten, die noch imstande waren zu laufen, zu Eurem Gut gegangen. Aber dort fanden wir alles verbrannt vor und keine Spur von Eurer Gattin und dem Kind.«
Also sind Adela und Luce wohl verschleppt worden. Aber vielleicht bedeutet dies wenigstens, dass sie noch am Leben sind , ging es Francis durch den Kopf. Ich muss sie finden. »Wisst Ihr den Namen des Anführers?« Fragend blickte Francis Blanka an.
»Das ist seltsam …« Sie runzelte die Stirn. »Als der Unterhändler die Forderungen stellte, nannte er Lord Montmercy als seinen Herrn. Aber dann, als die Soldaten ihre grausamen Späße mit uns trieben, habe ich sie von einem William de Thorigny als ihrem Anführer sprechen hören.«
De Thorigny … Dies war kein zufälliger Überfall gewesen, davon war Francis überzeugt. Er schmeckte Galle in seinem Mund. William de Thorigny hatte den Anschlag auf Adela und das Gut gewiss schon seit Langem geplant. Er, Francis, war in den Krieg gezogen, um Adela zu schützen – und hatte gerade so Unheil über sie gebracht. Aber William de Thorigny würde für das, was er ihr angetan hatte, bezahlen, schwor er sich.
Francis hatte sich eben schwerfällig erhoben, als die Tür geöffnet wurde und Albert hereinkam. Er hielt einen dürren jungen Mann an den Schultern gepackt und schob ihn vor sich her. »Dieser Bursche, Herr, weiß vielleicht etwas Wichtiges über Eure Gattin und Euren Sohn«, sagte er. Der junge Kerl starrte mürrisch vor sich hin und erwiderte nichts.
»Rede gefälligst!«, fuhr Francis den Jungen an.
»Er hat sich am Tag des Überfalls und in der darauf folgenden Nacht in den Wäldern herumgetrieben.« Albert vollführte eine vielsagende Handbewegung.
Francis packte den Jungen am Kittel und schüttelte ihn. Er konnte dessen Rippen unter der Haut spüren. »Dass du gewildert hast, ist mir völlig gleichgültig. Aber wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, was du weißt, wirst du Prügel von mir beziehen, ist das klar?«
»Ja, Herr, ich habe im Wald Fallen aufgestellt.« Der Junge schniefte und fuhr sich mit der schmutzigen Hand über die Nase. »In der Nacht hörte ich jemanden durch das Unterholz streifen. Ich versteckte mich. Aber vorher konnte ich noch erkennen, dass ein großer Mann unterwegs war, der einen riesigen Hund bei sich hatte. Ich schlief in meinem Versteck ein. Eine ganze Weile später weckten mich Schritte in der Nähe. Es regnete, deshalb konnte ich in der Dunkelheit nichts erkennen. Aber ich hörte einen Hund hecheln. Und ein Stöhnen, als ob ein Mensch große Schmerzen litte. Außerdem einen merkwürdigen Laut, als ob ein Kind aufschluchzen würde …«
»Seit den schrecklichen Geschehnissen haben wir Gerard, Euren Schäfer, und seinen Hund nicht mehr gesehen.« Albert wandte sich Francis zu. »Einige Schafe fanden wir auf den Wiesen verstreut. Wir dachten zuerst, die Soldaten hätten ihn und den Hund getötet und den Großteil der Schafe fortgetrieben. Denn Gerard ist ja niemand, der seine Tiere irgendjemandem kampflos überlassen würde. Aber vielleicht ist er ja auch zu Eurem Gut gegangen und hat Eure Frau und Euren Sohn dort gefunden und sie in Sicherheit gebracht.«
»Ja, Gerard ist treu und zuverlässig«, antwortete Francis langsam. Wieder regte sich eine zaghafte Hoffnung in ihm. Falls der Schäfer die beiden tatsächlich gerettet hat, wird er wahrscheinlich versuchen, sie zu meinem Gut bei Giverny zu bringen, dachte er.
*
William de Thorigny genoss es, durch die frühsommerliche Landschaft zu reiten. Der Tag war klar, und von der Hügelkuppe, die er und seine Soldaten gemächlich entlangtrabten, konnte er bis nach Fréteval sehen, das schon zum französischen Königreich gehörte. Die vergangenen Wochen waren sehr erfolgreich für ihn verlaufen. Bei den Plünderungen hatte er reiche Beute gemacht. Einen Teil davon würde er dem
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