Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Feld. Die Soldaten hatten sich nicht von der Stelle bewegt, warteten immer noch in etwa hundert Fuß Abstand. Große Wolken hingen am Himmel. Wahrscheinlich würde es bald wieder anfangen zu regnen. Adelas Gedanken richteten sich darauf, wie die nächsten Tage zu bewältigen waren. Sie mussten einen trockenen Platz für die Nacht finden. Hoffentlich konnten sie auf einem der Güter des Grafen von Vire Zuflucht finden. Ihre Anspannung ließ nach. Erschöpfung durchflutete sie.
Sie hatten sich noch nicht weit vom Tor entfernt, als der Unterhändler auf Adela zuritt. Er war ein mittelgroßer, breitschultriger Mann und – soweit dies unter seinem Helm und seinem Bart zu erkennen war – um die dreißig Jahre alt. Er verneigte sich leicht vor ihr. »Mein Herr wünscht Euch, die Herrin des Gutes, kurz zu sprechen. Wenn Ihr bitte mit mir kommen würdet.«
»Geh mit Blanka.« Adela drückte Luce an sich. »Ich komme bald nach.«
»Ja …« Luces Stimme klang dünn. Widerspruchslos ging er zu der Köchin.
Adela folgte dem Soldaten durch die Gruppe Bewaffneter, die eine Gasse gebildet hatten. Auf der anderen Seite des Feldes, bei einer Eiche, wartete ein einzelner Reiter. Er hatte seinen Helm abgenommen. Der Wind spielte mit seinen dunklen Locken und blähte seinen leuchtend blauen Samtmantel auf. Adela spürte, dass er sie beobachtete, was ihr unangenehm war. Sein schmales Gesicht mit der gebräunten Haut und den dunklen Augen war scharf geschnitten und gut aussehend und drückte Selbstbewusstsein aus. Kein freundliches Antlitz … Eher das einer Katze, die siegesgewiss ihre Beute belauert …, schoss es Adela durch den Kopf. Sie schluckte und zwang sich weiterzugehen.
»So, dies ist mein Herr, Lord Montmercy.« Ein eigentümlicher Ton schwang in den Worten des Unterhändlers mit. Die Männer verständigten sich mit einem wissenden Lächeln, das Adelas Unbehagen noch verstärkte.
»Ihr seid also die Tochter der Dienerin Aline und des Ritters Ethan …« Der Lord ließ sie nicht aus den Augen.
»Ja, das bin ich.« Adelas Mund war ganz trocken. Was wollte er nur von ihr?
»Nun, dann darf ich Euch mitteilen, dass Euch dieser Mann hier«, er deutete auf den Unterhändler, »den Namen und Titel genannt hat, den ich von Seiten meiner Mutter trage. Ich habe nämlich befürchtet, dass Ihr Euch weigern würdet, Euer Gut freiwillig zu verlassen, wenn Ihr den Namen erfahren hättet, unter dem ich eigentlich bekannt bin.«
Noch immer lächelte der Lord sie an. Langsam begann eine grausame Erkenntnis in Adela zu dämmern. »Der Name de Thorigny sagt Euch doch sicher etwas.« Er beugte sich lässig im Sattel vor. »Nun, ich bin Baron William de Thorigny, der Sohn des Mannes, den Euer Vater getötet hat.«
Ehe sie reagieren konnte, hatte er sie schon gepackt und auf sein Pferd gezogen.
»Lasst mich!« Die Starre wich von ihr. Während sie nach ihm schlug, tastete sie nach dem kleinen Messer, das sie immer am Gürtel trug. Doch sofort umfasste er ihr Handgelenk und verdrehte es, so dass sie das Messer mit einem Schmerzensschrei fallen ließ. »Seid fügsam! Wenn Ihr Euch widerspenstig verhaltet, werden es Eure Leute zu büßen haben.« Seine Stimme war leise, ja fast zärtlich, was Adela mehr entsetzte, als wenn er sie angeherrscht hätte.
Ein Teil seiner Soldaten, das sah sie jetzt, hatte ihre Bediensteten eingekreist. Luce … O Gott, Luce … Ihm durfte nichts geschehen. Sie bemerkte es kaum, dass de Thorigny ihr den Gürtel abnahm und ihre Hände damit fesselte, bevor er sein Pferd antraben ließ. Sie wagte es nicht, sich nach ihren Leuten umzudrehen, denn sie befürchtete, die Aufmerksamkeit des Barons auf ihren Sohn zu lenken.
Als de Thorigny mit ihr durch das Tor des Gehöfts ritt, trieben Bewaffnete gerade das Vieh aus den Ställen. Die Hunde lagen erschlagen in ihrem Blut am Boden. Nur einer röchelte noch. William sprengte bis zu dem Wohnhaus. Dort sprang er ab und hob auch Adela vom Rücken des Pferdes. Den Arm beinahe wie beim Tanz um ihre Schultern gelegt, führte er sie über die Schwelle. Doch sein Griff war eisern, und obwohl William schlank und nicht besonders groß war, verfügte er über eine erstaunliche Kraft.
Im Wohnraum blickte er sich um, während seine Finger über die wollenen Kettfäden ihres Webstuhls wanderten. »Oh, ich muss schon sagen, Ihr habt es ziemlich weit gebracht als Tochter einer Dienerin und eines Bastards. Die mit Schnitzereien verzierten Stühle vor der Feuerstelle … Sind sie etwa
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