Die Rache der Horden
eigentlich schon einen Monatsritt östlich von Cartha sein und derzeit auf die niedrigen Hügel mit den schweren roten Blumen reiten. Stattdessen …« Er deutete zum Eingang der Jurte und dem nicht sichtbaren dunklen Wald dahinter.
»Wir haben getan, was wir, wie du weißt, tun mussten. Ich habe daran nie gezweifelt, Jubadi.«
Der Qar Qarth nickte, setzte den Milchschlauch ab und legte sich zurück, die Hände im Nacken verschränkt, dass sich die zottigen Arme seitlich ausbreiteten, die straffen Muskeln gewölbt.
»Das Vieh war fast zu leicht zu bezwingen, wenn man an die Schlacht des vergangenen Sommers zurückdenkt und das, was es mit den Tugaren gemacht hat.«
»Die Tugaren waren Dummköpfe.«
»Trotzdem waren sie gute Krieger. Etwas, was ich nur dir gegenüber einzugestehen bereit bin.«
»Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich an Muzta denke. Er widersetzt sich keinerlei Vorschlag. Da scheint kein Stolz mehr zu sein, kein Funke. Er ist viel zu still, so sagt es das Gefühl in meinem Blut.«
»Man sollte ihn im Auge behalten«, sagte Jubadi. »Er wäre ein Dummkopf, falls er glaubte, dass wir, wenn dieser Krieg erst überstanden und das Vieh unterworfen wurde, uns wieder nach Süden den Bantag zuwenden und ihn in unserem Rücken schalten und walten lassen.«
»Ich bin davon ausgegangen, dass so deine Pläne lauteten.«
»Die Kinder und ausgesuchte Frauen, sie kommen mit uns. Was die übrigen Tugaren angeht …« Er brach kurz ab. »… so habe ich ihnen Orki nicht verziehen.«
Er seufzte erneut und schloss die Augen.
»Sind Omen wahr?«
»Es bereitet dir wirklich Sorgen«, stellte Hulagar leise fest.
»Hättest du einen solchen Traum gehabt, würde er dir keine Sorgen machen?«
Hulagar gluckste.
»Vergiss nicht, mein Qarth: solltest du sterben, dann sterbe auch ich an deinem Grab. Ich wünsche dir ein langes, ein sehr langes Leben.«
»Persönliche Anliegen sind es, was uns bewegt, nicht wahr?«
Hulagar lachte und tätschelte den alten Freund am Ellbogen.
»Du hast diesen Krieg gut geplant, mein Qarth. Morgen wirst du am anderen Ufer des Flusses stehen. In einer Woche haben wir ihre große Stadt Suzdal umstellt. In einem Monat ist alles Vieh von Rus entweder tot oder hat sich unterworfen und seine Geheimnisse offen gelegt. Bis zum Mittsommer fallt Roum, und im kommenden Frühjahr wenden wir uns wieder nach Süden zu unseren alten Weidegründen, ausgerüstet mit zehn mal so vielen Viehwaffen wie die Bantag, und sie werden lernen, welches ihr Platz ist. Es gibt keinen Grund zur Furcht.«
»Aber das Unerwartete. Das, hast du gesagt, war stets meine Stärke: das Unerwartete zu erwarten. Auf diese Weise waren wir bislang siegreich; auf diese Weise haben du und ich zwei Umkreisungen lang überlebt, zwanzig große Schlachten, hundert Scharmützel, ein Dutzend Mordintrigen gegen mich. Ich begreife, wie unser Volk denkt; ich verstehe aber nicht, wie das Vieh denkt.«
»Tamukas Schoßtier wird diese Sorgen unnötig machen, sobald die Zeit gekommen ist. Falls nicht, weiß er, was geschieht.«
»Er hätte inzwischen schon handeln müssen.«
»Er wird handeln, wenn er handelt. Unser Viehspion, der im Winter entkommen ist, sagt, dass er noch lebt. Keane hat sich um Rat an ihn gewandt, auf die gleiche Weise, wie du mit jemandem sprechen würdest, der eine Umkreisung lang an Keanes Seite geritten wäre.«
Hulagar schnaubte verächtlich.
»Ich wünschte beinahe, Keane würde am Leben bleiben, anders, als wir es geplant haben. Er macht mich neugierig. Ich hätte ihn gern als Schoßtier.«
»Wie die anderen Gefangenen und diesen Hinsen?«
»Hinsen ist ein Verräter. Wir benutzen ihn, wir belohnen ihn, aber wir würden ihm nie über den Weg trauen. Wenn er einen Fehler macht, wird er wie Cromwell zum Mondfest gehen.«
Jubadi gähnte träge.
»Die Nacht muss schon halb vorbei sein«, seufzte er, streckte sich und rollte sich aufs Neue zusammen.
»Morgen wird ein langer Tag, mein Qarth. Schlaf jetzt.«
Jubadi nickte.
»Glaubst du an Träume?«, fragte er im Flüsterton, und seine Stimme verklang.
Hulagar zog die Decke zu den Schultern seines Qar Qarth hoch und entfernte sich leise, ohne eine Antwort zu geben.
Müde stieg Pat vom Pferd und brummte einen kräftigen Fluch, während er sich das Hinterteil rieb.
»Habe verdammt zu lange nicht mehr im Sattel gesessen!«, raunzte er und blickte sich unter seinen alten Kameraden aus der Vierundvierzigsten um, die heute als sein Stab dienten.
»Eine grausame
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