Die Rache der Horden
der sich durch Lügen immer mehr in Schwierigkeiten brachte. »Und ich habe es schriftlich vorliegen.«
»Ich brauche fünftausend Musketen, Ferguson, zehn Batterien und die nötige Munition für all das!«
»Ist das eine Bitte oder ein Befehl?«, fragte Chuck leise.
»Es ist ein Befehl. Hier an diesem Ende sind Sie für die Ressourcen zuständig; Johns Leute sind alle damit beschäftigt, die Front bei Kew zu organisieren. Ziehen Sie jetzt ein paar Fäden oder fälschen Sie ein Formular, aber ich brauche die Waffen.«
»Oder?«
»Oder einer aus meinem Stab unterhält sich mit einem aus Johns Stab und erwähnt dabei, dass Sie mehr als eine Tonne Pulver pro Tag auf die Seite schaffen. Dass fünfzig Kartätschengeschosse pro Tag für das verschwinden, was immer Sie hier produzieren.«
»Sie Mistkerl!«, flüsterte Chuck.
»Präzise«, sagte Vincent kalt. »Die Hälfte von Marcus’ Truppen liefert sich an der Südgrenze Scharmützel mit zwei Umen der Merki. Von mir erwartet man, hier draußen zwei Korps aufzustellen, und ich will verdammt sein, falls ich für nichts weiter zuständig sein werde als ein Ausbildungszentrum hinter den Linien, wenn es zur entscheidenden Schlacht kommt. Ich möchte in diesem Krieg mitkämpfen, und bei Gott, ich erpresse zur Not Jesus persönlich, falls es mir dazu verhilft!«
»Mein Gott, Vincent, was zum Teufel ist nur aus Ihnen geworden?«, fragte Chuck leise.
Er blickte an ihm vorbei zu Dimitri, der ein kleines Stück abseits stand. Der alte Soldat verfolgte den Wortwechsel interessiert, obwohl er kein Wort der gereizten englischen Worte verstand.
»Ich tue nur meine Arbeit«, antwortete Vincent.
»Sie nehmen es inzwischen viel zu persönlich«, sagte Chuck leise. »Sicher, ich hasse diese Mistkerle auch; wer würde nicht? Aber beim Ewigen, Vincent, ich lasse nicht zu, dass es mir die Seele auffrisst. Derzeit breche ich die Regeln und mache sogar Dinge, zu denen ich nicht bevollmächtigt wurde – ich gebe es zu. Aber ich tue es, weil ich zutiefst überzeugt bin, dass ich richtig handle und es womöglich dazu beiträgt, diesen Krieg zu gewinnen. Wohingegen Sie so handeln, weil Sie nicht ertragen können, das Gemetzel zu versäumen.«
»Halten Sie mir keine Predigt«, flüsterte Vincent.
»Früher mal haben Sie auch nie gezögert, unserem ganzen Regiment eine Predigt über das zu halten, was moralisch richtig war. Sie haben mehr als einen der Jungs überzeugt, fürs Hierbleiben zu stimmen, damals, als sich Tobias dafür einsetzte, dass wir unsere Sachen zusammenpacken und türmen. Jetzt erkenne ich nur noch Hass bei Ihnen, Vincent. Die Merki haben nicht Ihren Körper bekommen, aber ganz gewiss Ihre Seele.«
»Ich brauche mir das nicht anzuhören«, entgegnete Vincent und wandte sich ab.
»Falls Sie Ihre gottverdammten Musketen haben möchten, sollten Sie lieber zuhören!«
Vincent blickte ihn wieder an.
»Sehen Sie mal, Vincent, ich mag Sie von jeher. Verdammt, wir sind zusammen in Vassalboro aufgewachsen! Ich kann mich noch daran erinnern, wie Sie sich mal davongeschlichen haben, um mit uns älteren Jungs im Webberteich schwimmen zu gehen. Ihr Vater hat Sie erwischt, und da war richtig die Hölle los, weil Sie nackt da draußen in unserer Gesellschaft waren.«
Ein leises Lächeln spielte kurz über Vincents Gesicht.
»Und ich weiß noch, wie Sie meine kleine Schwester Alice mit großen Augen angehimmelt haben.«
Vincent sagte nichts, senkte aber den Kopf und nickte.
»Wir waren damals noch ein Haufen unschuldiger Kinder«, seufzte Chuck. »Keiner von uns hat damit gerechnet, zu einem Killer heranzuwachsen. Ich wollte einfach nur Ingenieur werden und Maschinen bauen, und Sie wollten einfach nur studieren und Lehrer oder Schriftsteller werden, wie der Colonel einer war. Na ja, dann landeten wir in einem Krieg. Vincent, ich tue das, was ich jetzt mache, weil es mein Job ist, aber Sie, Vincent, Sie tun es, weil es Ihnen Spaß macht.«
»Und auf diese Weise siegen wir«, entgegnete Vincent.
»Sehen Sie sich mal Keane an. Verdammt, ich erinnere mich an Gettysburg … ich wusste, dass er es toll fand, ich sah es richtig, sogar nachdem sein Bruder gefallen war. Aber sehen Sie nur, was jetzt aus ihm wird. Er ist der große General; jemand musste den Posten schließlich übernehmen, und Gott sei Dank war er es. Allerdings möchte ich für nichts in der Welt in seiner Haut stecken. Durch die schiere Anspannung ist er um zwanzig Jahre gealtert. Es ist wie Krebs, Vincent –
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